Vor 25 (und 55) Jahren: Chabrol wandelt auf Clouzots Pfaden 16. Dezember 2019 | Stichwörter: 1960er, 1990er, Avantgarde, BĂ©art, Chabrol, Clouzot, Cluzet, Drama, Frankreich, Jubiläum, Klassiker, Reggiani, Remake, Schneider, Spielfilm, unvollendet L’enfer (1994) (und L’enfer (1964)) Vor seinem letzten Spielfilm “La prisonnière” (1968) nahm sich der längst zum Altmeister avancierte Henri-Georges Clouzot eines Projekts an, das zu den groĂźen gescheiterten Werken der Filmgeschichte zählt: Es sollte die Geschichte eines Mannes werden, der in sich seiner Beziehung zur jĂĽngeren Frau in eine so unbegrĂĽndete wie wahnhafte Eifersucht steigert, welche die Beziehung zunehmend belastet und mit seinem schwindenden Sinn fĂĽr die Realität einhergeht. Mit Romy Schneider und Serge Reggiani hatte Clouzot die Figuren besetzt und im Jahr 1964 rund 15 Stunden Material angehäuft, um das Projekt letztlich nicht fertigzustellen. Geblieben ist der Ă–ffentlichkeit der erst Jahre später entstandene Dokumentarfilm “L’enfer d’Henri-Georges Clouzot” (2009), der Teile des Material darbietet und erahnen lässt, was Clouzot im Sinn hatte. In einer s/w-Realitätsebene siedelte er die verzerrte Wahrnehmung des krankhaft EifersĂĽchtigen farbig und vor allem farblich verfremdet an, unterstĂĽtzt von allerlei avantgardistischen Trickeffekten. Entstanden in einer Zeit, in der Klassiker wie “Smultronstället” (1957), “L’annĂ©e dernière Ă Marienbad” (1961), “8½” (1963), “Repulsion” (1965), “Persona” (1966), “Trans-Europ-Express” (1966), “L’homme qui ment” (1968) der subjektiven Wahrnehmung, den Imaginationen und trĂĽgerischen Erinnerungsbildern eine erstaunliche Autonomie innerhalb vermeintlich objektiver Filmbilder verliehen und die Weichen fĂĽr David Lynch und spätere mindfuck movies bzw. mindgame movies stellten, da schien Clouzots Drama eines in seinen Wahn schlitternden Mannes auf der Höhe der Zeit zu sein. Sofern man es angesichts der veröffentlichten Materialien einschätzen kann, schien er allerdings Gefahr zu laufen, mit der Eingliederung avantgardistischer audiovisueller Effekte in die Dramaturgie etwas konstruiert zu geraten und teilweise einem Symbolismus zu huldigen, der schon in Hitchcocks einflussreichen Wahnbildern mitunter (etwa in “Spellbound” (1945)) simplifizierend auszufallen drohte. Clouzot schien angesichts der Nouvelle Vague ähnlich altbacken zu wirken wie der Avantgardist Jean Cocteau. Nouvelle-Vague-Größe Claude Chabrol griff dann 30 Jahre später auf Clouzots Stoff zurĂĽck und reduzierte in seiner Inszenierung avantgardistische Anteile ganz gehörig, derweil er die zentrale Perspektive des Mannes bewahrte. BloĂź gelegentlich sorgen z. B. eine grelle Beleuchtung und sonderbar anmutende Ăśbersteigerungen von Nebengeräuschen fĂĽr EindrĂĽcke einer wahnhaften Subjektive. Bereits das wirkte, als “L’enfer” am 16. Februar 1994 seine UrauffĂĽhrung feierte, in der Verbindung mit eher konventionellen dramaturgischen Zuspitzungen (die auch durch die “Sans fin”-Einblendung am Schluss nicht getilgt werden) auf einige Kritiker etwas ĂĽberzogen. Doch das Spiel von François Cluzet und Emmanuelle BĂ©art konnte mit Chabrols ambitionierten BemĂĽhungen, ein präzises Porträt zu erschaffen, etwaige Mängel weitestgehend auffangen. Mit dem folgenden “La cĂ©rĂ©monie” (1995) zählt “L’enfer” mittlerweile zu den gewichtigeren Klassikern in Chabrols Spätwerk, das gĂĽnstig als Bestandteil von Concordes Claude Chabrol Collection 2 zu bekommen ist: Fassungseintrag von PatsyStone PierrotLeFou
L’enfer (1994) (und L’enfer (1964))
Vor seinem letzten Spielfilm “La prisonnière” (1968) nahm sich der längst zum Altmeister avancierte Henri-Georges Clouzot eines Projekts an, das zu den groĂźen gescheiterten Werken der Filmgeschichte zählt: Es sollte die Geschichte eines Mannes werden, der in sich seiner Beziehung zur jĂĽngeren Frau in eine so unbegrĂĽndete wie wahnhafte Eifersucht steigert, welche die Beziehung zunehmend belastet und mit seinem schwindenden Sinn fĂĽr die Realität einhergeht. Mit Romy Schneider und Serge Reggiani hatte Clouzot die Figuren besetzt und im Jahr 1964 rund 15 Stunden Material angehäuft, um das Projekt letztlich nicht fertigzustellen. Geblieben ist der Ă–ffentlichkeit der erst Jahre später entstandene Dokumentarfilm “L’enfer d’Henri-Georges Clouzot” (2009), der Teile des Material darbietet und erahnen lässt, was Clouzot im Sinn hatte. In einer s/w-Realitätsebene siedelte er die verzerrte Wahrnehmung des krankhaft EifersĂĽchtigen farbig und vor allem farblich verfremdet an, unterstĂĽtzt von allerlei avantgardistischen Trickeffekten. Entstanden in einer Zeit, in der Klassiker wie “Smultronstället” (1957), “L’annĂ©e dernière Ă Marienbad” (1961), “8½” (1963), “Repulsion” (1965), “Persona” (1966), “Trans-Europ-Express” (1966), “L’homme qui ment” (1968) der subjektiven Wahrnehmung, den Imaginationen und trĂĽgerischen Erinnerungsbildern eine erstaunliche Autonomie innerhalb vermeintlich objektiver Filmbilder verliehen und die Weichen fĂĽr David Lynch und spätere mindfuck movies bzw. mindgame movies stellten, da schien Clouzots Drama eines in seinen Wahn schlitternden Mannes auf der Höhe der Zeit zu sein. Sofern man es angesichts der veröffentlichten Materialien einschätzen kann, schien er allerdings Gefahr zu laufen, mit der Eingliederung avantgardistischer audiovisueller Effekte in die Dramaturgie etwas konstruiert zu geraten und teilweise einem Symbolismus zu huldigen, der schon in Hitchcocks einflussreichen Wahnbildern mitunter (etwa in “Spellbound” (1945)) simplifizierend auszufallen drohte. Clouzot schien angesichts der Nouvelle Vague ähnlich altbacken zu wirken wie der Avantgardist Jean Cocteau. Nouvelle-Vague-Größe Claude Chabrol griff dann 30 Jahre später auf Clouzots Stoff zurĂĽck und reduzierte in seiner Inszenierung avantgardistische Anteile ganz gehörig, derweil er die zentrale Perspektive des Mannes bewahrte. BloĂź gelegentlich sorgen z. B. eine grelle Beleuchtung und sonderbar anmutende Ăśbersteigerungen von Nebengeräuschen fĂĽr EindrĂĽcke einer wahnhaften Subjektive. Bereits das wirkte, als “L’enfer” am 16. Februar 1994 seine UrauffĂĽhrung feierte, in der Verbindung mit eher konventionellen dramaturgischen Zuspitzungen (die auch durch die “Sans fin”-Einblendung am Schluss nicht getilgt werden) auf einige Kritiker etwas ĂĽberzogen. Doch das Spiel von François Cluzet und Emmanuelle BĂ©art konnte mit Chabrols ambitionierten BemĂĽhungen, ein präzises Porträt zu erschaffen, etwaige Mängel weitestgehend auffangen. Mit dem folgenden “La cĂ©rĂ©monie” (1995) zählt “L’enfer” mittlerweile zu den gewichtigeren Klassikern in Chabrols Spätwerk, das gĂĽnstig als Bestandteil von Concordes Claude Chabrol Collection 2 zu bekommen ist: Fassungseintrag von PatsyStone
Keine Kommentare zu „Vor 25 (und 55) Jahren: Chabrol wandelt auf Clouzots Pfaden“ Um Kommentare schreiben zu können, müssen Sie eingeloggt sein. » Registrieren/Einloggen im User-Center
» Registrieren/Einloggen im User-Center
Unser News-Bereich wurde überarbeitet und wird in Kürze weiter ausgebaut werden, damit Sie stets aktuell über alle Neuigkeiten rund um die Welt des Films informiert sind.» Zum neuen News-Bereich