Dass der Film in seiner – trotz Dynamik und komplexer Bewegung(srichtung)en – eindimensionalen Darbietung keinerlei Gegenhandlung besitzt und somit unrund wirkt, ist Dreh- und Angelpunkt des am 2. April 1995 erschienenen Essayfilms “Arbeiter verlassen die Fabrik”, den Harun Farocki anlässlich der 100jährigen Geschichte des (kommerziellen, institutionalisierten) Kinos herausbrachte – unter Einfluss Hartmut Bitomskys, Klaus Wildenhahns und anderer entstanden… Farocki blickt hier auf 100 Jahre Fabriken verlassende ArbeiterInnen zurĂĽck, auf immer das gleiche Bild, das aber ab dem proletarischen Film und dem Revolutionsfilm mit Spannungen aufgeladen wird, von Streiks und Streikbrechern erzählt. Farocki sinniert darĂĽber, dass sich zur Kamera, welche die entweichenden ArbeiterInnen filmt, in den letzten Jahren auch die zahlreichen Ăśberwachungskameras gesellt hätten; er thematisiert die Inszenierung des Arbeiters, seines Kampfes, die Inszenierung von Polizei, Militär und Fabriksgeländen. Er thematisiert aber auch die Randständigkeit dieses Sujets, das zunehmend zum Nebenschauplatz von Kriminalstoffen und ähnlichem geraten ist. Unter seinem Monolog entfalten sich dabei Filmszenen von D. W. Griffith, Charles Chaplin, Fritz Lang, Vsevolod Pudovkin, Slatan Dudow, Michelangelo Antonioni, Wochenschauen und Industriefilmen – und immer wieder: “La sortie de l’usine” (in der Version 91,3), zu dem Farocki mehrfach zurĂĽckkehrt. Dieser Hauptbezugspunkt fĂĽr seine Analyse der Filmgeschichte der ArbeiterInnen, der zugleich symbolische Verkörperung des Kinogeschichtsbeginns ist, erscheint in “Arbeiter verlassen die Fabrik” immer wieder und wird von Farocki genutzt, um eine Augenscheinlichkeit des Bildes in der Nähe des Begriffs zu denken, die ihm zu einer der schönsten Filmessay-Meditationen ĂĽber Marilyn Monroe (in “Clash by Night” (1952)) ĂĽberhaupt verleitet: Im Film zerrinnen denkerische Bewegungen zu körperlichen Bewegungen. Und so ist Farockis Film nicht bloĂź ein Film ĂĽber Arbeit(er(innen)) im Film, sondern ein Film ĂĽber Filmtheorie und Filmphilosophie selbst. Und zugleich ist es auch noch der Startschuss fĂĽr kommende Farocki-Projekte, in denen der Dokumentarist und Essayist Motive der Filmgeschichte deutet, etwa in “Der Ausdruck der Hände” (1997) oder in “Gefängnisbilder” (2000).
Enthalten ist der Film in der Edition Harun Farocki. Filme: 1967-2005 von absolut Medien.
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Kein(e) Bonus-, sondern reguläre(r) Freitagstitel…
Aber dennoch halbwegs auf den Tag der Arbeit abgestimmt. Schönen Feiertag allen Usern!