Akira Kurosawa hatte es zu Beginn seiner Karriere und inmitten seines Spätwerks – als er zwischen 1965 und 1990 bloĂź noch im 5-Jahrestakt Filme fĂĽr die groĂźe Leinwand drehte – bekanntlich nicht ganz leicht. 1945, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs – und nachdem Kurosawa sich bereits dazu bewegen lieĂź, einen propagandistischen Film sowie eine von seiner Seite nicht angestrebte Fortsetzung eines frĂĽheren Films zu drehen –, gab es dafĂĽr sowohl finanzielle als auch ideologische GrĂĽnde: Weil er das Budget fĂĽr die Pferde einer aufwendigen Schlachtszene nicht hätte auftreiben können, musste Kurosawa sein ursprĂĽnglich geplantes jidai-geki-Projekt verwerfen und es durch die Verfilmung einer Kabuki-Theater-Version eines No-Theater-StĂĽckes ersetzen. “Tora no o o fumu otokotachi” wurde dann unter Zeit- und Gelddruck fertiggestellt, kommt mit wenigen Schauplätzen, einer Laufzeit von einer knappen Stunde und einer merklich bĂĽhnengemäßen, dialoghaften Struktur aus. Ăśber die Einbindung einer Slapstick-Figur, die den Einfluss des US-Kinos erkennen lässt, und inszenatorische Kniffe gelingt es Kurosawa jedoch, den Stoff an filmische Konventionen anzupassen. So erzählt er die Geschichte eines Generals, der sich auf der Flucht vor dem eigenen Bruder als Lastenträger einiger Mönche tarnt und sich dabei gänzlich einem Untergebenen unterordnet, der seinen Herren sogar schlägt, um den Verdacht der Feinde zu zerstreuen. Das Ergebnis war dann weder japanischen Zensoren noch den Amerikanern während der US-Besatzung genehm: zu westlich und zuwenig patriotisch erschien das bemerkenswert pazifistische Werk den einen, zu traditionell japanisch der jidai-geki mit Kabuki- und No-Tradition den anderen. Obgleich im September 1945 fertiggestellt und noch im selben Jahr den US-Zensoren vorgelegt, fand die erste öffentliche VorfĂĽhrung erst 1952 statt…
Gänzlich andere Schwierigkeiten hatte Kurosawa ein halbes Jahrhundert später. Nach “Akahige” (1965) (Anniversary-Text) waren ganze fĂĽnf Jahre ins Land gegangen, in denen Kurosawa auch aufgrund veränderter Produktionsbedingungen in seiner Heimat einen Abstecher nach Hollywood machte, aus welchem – wenngleich diese Phase fĂĽr ihn als Regisseur unproduktiv erscheinen musste – immerhin Richard Fleischers “Tora! Tora! Tora!” (1970) und Andrey Konchalovskys “Runaway Train” (1985) hervorgingen. Doch seine gescheiterten Regie-Vorhaben in dieser Zeit lasteten schwer auf ihm und 1970 konzentrierte er sich dann wieder in seiner Heimat auf einen neuen Film, den er aus KostengrĂĽnden verwerfen und durch “Dodesukaden” ersetzen musste, der nach erheblichen KĂĽrzungen einer ersten Rohfassung am 27. Oktober 1970 seine Premiere feierte – allerdings zum kommerziellen Misserfolg geriet und einem Suizidversuch des Regisseurs inmitten einer Depression am Ende des Folgejahres voranging. Der Film – Kurosawas erster Farbfilm – schildert nach eigenen Erzählungen des Regisseurs in surrealer Stilisierung und expressiv-greller Farbdramaturgie das Leben einiger Slumbewohner(innen) und wurde zwar fĂĽr die Oscars eingereicht, konnte aber erst nach und nach die Gunst einer Kritiker(innen)-Mehrheit auf sich ziehen. Der Film preist farbenfroh die groĂźen humanistischen Gesten: das MitgefĂĽhl, das Mitleid, die Vergebung, die Reue… Aber ebenso, wie die farbgesättigten Bilder immer wieder in bedrĂĽckende Schwere umschlagen und bedrohlich verzerrend erscheinen, können auch die groĂźen Gesten nicht verhindern, dass dennoch immer wieder Missgunst, Gewalt und Leid in den Alltag der Figuren dringen. Die hehren Ideale fĂĽhren nicht geradewegs in ein besseres Utopia, sondern betreibend Schadensbegrenzung inmitten des Elends…
Das BFI hat die eher unbekannteren Kurosawas in zwei schönen Editionen zugänglich gemacht: in der Box Early Kurosawa (Fassungseintrag von Phileas) sowie in der Box Kurosawa Classic Collection (Fassungseintrag von Phileas).
PierrotLeFou
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