Er hatte schon “Der Knabe in blau” (1919), “Satanas” (1920), “Sehnsucht” (1920), “Der Bucklige und die Tänzerin” (1920), “Der Januskopf – Eine Tragödie am Rande der Wirklichkeit” (1920) (Anniversary-Text) sowie “Abend – Nacht – Morgen” (1920) gedreht, ehe “Gang in die Nacht” entstand, der als siebter Murnau-Film am 21. Januar 1921 in die Kinos gelangte. Alle sechs Frühwerke habe heute eines gemeinsam: Sie alle gelten als restlos verschollen. Und so ist “Gang in die Nacht” der erste noch heute erhaltene Murnau, wenngleich nicht vollständig erhalten und bloß in einer gewissenhaft rekonstruierten Form erhalten. Und unter den erhaltenen Werken ist er vielleicht der am wenigsten gelungene. Das bedeutungsschwere Liebesdrama über eine Tänzerin (Erna Morena) zwischen einem erblindenden Maler (Conrad Veidt) und einem heilenden Arzt (Olaf Fønss) konnte mit seiner spürbar konstruierten Dramaturgie und dem ausdrucksstarken, bisweilen exaltierten, bisweilen steif-starren Spiel nicht jeden überzeugen. Kleinere Fahrten und Blenden, Spiegelungen und eingebundene Landschaftsaufnahmen zeugen zusammen mit der Mise en Scène, malerischen Bildkompositionen und kleinen, eingesprenkelten expressionistischen Bildern von Murnaus Ambitionen und Fähigkeiten, aber irgendwie scheint der “Gang in die Nacht” mit einer vergleichsweise geringen emotional involvierenden Wucht mehr Zuschauer(innen) kalt gelassen zu haben als spätere Murnaus. Davon zeugt etwa das gewohnt ausführliche Review von Ännchen von Tharau. Gleichwohl gibt es auch prominente Fürsprecher: etwa Dominik Graf, dessen Besprechung im lesenswerten Band “Schläft ein Lied in allen Dingen. Texte zum Film” (Alexander Verlag Berlin 2009). Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kann seit fasst zwei Jahren zu einer gewohnt hochwertiger DVD der Edition Filmmuseum greifen: Fassungseintrag vonBlack Smurf
War “Gang in die Nacht” schon im August/September 1920 abgedreht worden, so drehte Murnau schon im Oktober 1920 das heute nur noch fragmentarisch erhaltene Drama “Marizza, genannt die Schmuggler-Madonna” (1922), der im Januar 1922 uraufgefĂĽhrt worden war. Hingegen gelangte der erst im Februar/März 1921 gedrehte “Schloss Vogelöd” bereits am 7. April 1921 zu seiner UrauffĂĽhrung. “Schloss Vogelöd” – wie “Der Gang in die Nacht” nach einem Drehbuch von Carl Mayer entstanden – erzählt eine gerne als trivial gescholtene Kriminalgeschichte zwischen Drama und SchauerstĂĽck, die nach einem Roman von Rudolph Stratz im Grunde ganz dicht am Ambiente des “old dark house”-Horrorfilms entlangschrammelt, mit dem sich Murnaus Klassiker das Motiv der (hier wetterbedingt) in einem Anwesen zusammenkommenden Personen teilt. Vor 19 Jahren rekonstruiert, liegt “Schloss Vogeloed” schon seit 2008 beim spanischen Label divisa auf DVD vor (Fassungseintrag vonFreddy J. Meyers), im englischsprachigen Raum immerhin nun schon zehn Jahre bei Eureka (Fassungseintrag von holzspanplattenwerk), wo man vor fĂĽnf Jahren zudem auch eine reichhaltige Blu-ray-Box herausbrachte, die fĂĽnf der wichtigsten frĂĽhen Murnaus in sich vereint (Fassungseintrag von ratz). Mehr ĂĽber den Inhalt des Films verrät Moonshade in seiner Inhaltsangabe…
PierrotLeFou
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