Nach “The Graduate” (1967) und “Bonnie and Clyde” (1967) hatte sich “Easy Rider” als weiterer New Hollywood-Markstein etablieren und zwischen der Roger-Corman-Schule und einem Major-Verleih wie Columbia einflussreiche Neuerungen fĂĽr die US-amerikanische Filmlandschaft mit sich bringen können, die sich teils auch aus den Neuen Wellen anderer Länder speisten. “Easy Rider” schlug gerade in der jungen Gegenkultur ein wie eine Bombe, erlangte Kultstatus und verlieh dem Label New Hollywood eine immense Relevanz, die auch durch die Tate-Morde und das desaströse Altamont Free Concert in diesem Jahr sowie die allgemeine ErnĂĽchterung und das Abflauen eines ’68-Feelings nicht beschnitten worden ist. Im Gegenteil: der verschärfte Tonfall des New Hollywood und die formale Rasanz erlebten 1970/1971 noch einmal eine absolute Hochphase, um später – als die Jahre von ’68 allmählich in eine lähmende Resignation zu mĂĽnden schienen – wieder abzuflauen: alte Konventionen wurden zur Mitte der 70er Jahre allmählich wiederentdeckt, das Interesse an Road Movie-Dramaturgien lieĂź nach, das Eindringen dokumentarischer Elemente in den Spielfilm wurde stärker geregelt, Unterhaltung und effiziente Spannungsdramaturgien erhielten wieder größere Aufmerksamkeit und Gestus, Slogans, Forderungen sowie Träume der Gegenkulturen nahmen weniger und weniger Platz ein. New Hollywood-Newcomer Steven Spielberg lieĂź nach William Friedkins Riesenerfolg “The Exorcist” (1973) seinen immens erfolgreichen eigenen Horrorfilm “Jaws” (1975) folgen – und hierin (sowie in George Lucas’ “Star Wars” (1977)) lieĂźe sich die Geburt eines Blockbuster-Kinos sehen, welches das New Hollwood abzulösen begann… ein Ablösungsprozess, der mit dem Flop von Michael Ciminos “Heaven’s Gate” (1980) und dem daraus resultierenden endgĂĽltigen Aus fĂĽr die New Hollywood-Ă„ra als beendet galt.
Als “Star Wars”-Schöpfer George Lucas also am 11. März 1971 seinen ersten Langfilm, die Dystopie “THX 1138″, zeigte, da war das New Hollywood noch voll im Gange. Es verwundert also nicht, dass der Sci-Fi-Film ĂĽber eine Gesellschaft, in der Emotionen, zwischenmenschliche Beziehungen und Freiheit zwischen Technik, Rundum-Kontrolle und Effizienzbestrebungen verkĂĽmmert sind, formal wie dramaturgisch recht experimentierfreudig daherkommt. Die Geschichte eines Einzelnen, als THX 1138 registriert, der in einer vollständig durchoptimierten Gesellschaft unter der Erdoberfläche eine illegale emotionale Bindung zur bereits auffällig gewordenen LUH 3417 eingeht und alsbald an die Erdoberfläche und in die Freiheit fliehen muss, ist von beklemmender Fremdartigkeit: einheitliche Uniformierung und Kahlrasierung der Figuren sowie kĂĽhle, sterile (und von oftmals statischer Kamera eingefangene) Kulissen, die trotz gelegentlichen Gedrängels vor allem groĂźe Leere zum Ausdruck bringen, sorgen in Verbindung mit der ruhigen Dramaturgie und einer weitgehenden Aussparung vertrauter Alltagssituationen dafĂĽr, dass nicht einmal bekannte Gesichter wie Robert Duvall, Donald Pleasence oder Sid Haig fĂĽr Vertrautheit sorgen. Ein visionäres Werk gewiss, das auf heutige Sci-Fi-Independent-Filme verweist, deren radikaler Minimalismus von der jeweiligen Zielgruppe durchaus goutiert wird. Doch “THX 1138″ war 1971 zu kĂĽhl, zu fremd – was Komponist Lalo Schiffrin in Verbindung mit George Lucas’ bizarrer Klangkulisse noch zu verstärken verstand – und floppte dementsprechend ganz gehörig, auch wenn Lucas’ zugrundeliegender Kurzfilm “Electronic Labyrinth: THX 1138 4EB” (1967) vier Jahre zuvor beim National Student Film Festival einen ersten Preis ergattern konnte. Auch eine WiederauffĂĽhrung nach dem “Star Wars”-Erfolg erwies sich als Flaute; dabei hatten sich Lucas und Francis Ford Coppola von diesem FrĂĽhwerk ihrer American Zoetrope viel versprochen. (Und zumindest Woody Allen erwies Lucas eine WĂĽrdigung und parodierte auch “THX 1138″ in seiner Sci-Fi-Komödie “The Sleeper” (1973).) Als Dystopie zwischen Huxley und Orwell wirkt “THX 1138″ allerdings – trotz beachtlich inszenierter Beklemmung – in Teilen etwas naiv und unglaubwĂĽrdig (ohne in die trashigen Gefilde eines “Z.P.G.” (1972) vorzudringen); insofern mag es ein sinniger Schachzug gewesen sein, sich mit dem Western-, Samuraifilm-, Ritterfilm-, Märchen-, Fantasy- und Sci-Fi-Mix “Star Wars” auf ein jĂĽngeres und naiveres Publikum einzuschieĂźen.
Heute ist “THX 1138″ ein kleiner Klassiker des Genres, der (wie auf andere Weise auch “American Graffiti” (1973)) den “Star Wars”-Schöpfer Lucas von einer etwas anderen Seite zeigt: auch weil Lucas hier noch das Opfer von Anforderungen und KĂĽrzungen von Seiten der beteiligten Warner Bros. war, derweil er heute – auch infolge ebendieser Erfahrung – seine eigenen Visionen auf Kosten der durchaus berechtigten Originalfassungen seiner alten Filme durchdrĂĽckt und filmhistorisch bedeutsame Fassungen radikal und mit diktatorischem Gestus aus dem Verkehr zieht. Ironischerweise ging “THX 1138″ zudem nicht bloĂź Lucas’ bombastischerer Blockbusterspektakel-Science-Fiction voran, sondern tauchte später noch im Namen von Lucas’ Unternehmen THX Ltd. wieder auf, das mit Multiplex-Kinos und Blockbusterfilmen fest verbunden ist, wohingegen “THX 1138″ noch mit experimentellen, recht unverdaulichen Klängen irritierte.
Seit 2004 liegt “THX 1138″ bei Warner mit reichhaltigem Bonusmaterial, aber eben ausschlieĂźlich als digital nachbearbeiteter Director’s Cut, auf DVD vor: Fassungseintragvom Karm Wer an der ursprĂĽnglichen Kinofassung interessiert ist, kann laut lastboyscout zur alten Laserdisk von Tartan greifen, wohingegen die längere, aber noch nicht nachbearbeitete WiederauffĂĽhrungsfassung von 1977 als US-amerikanische VHS oder Laserdisk erschienen sind.
PierrotLeFou
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