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Eine runde Sache: die Anniversary-Ecke

Vor 50 Jahren: Ein Film, 22 Filme oder 4.194.303 Filme von Reitz und Stöckl

5. April 2021 | Stichwörter: 1970er, Brustellin, De-Loup, Deutschland, Drama, Episodenfilm, Erotik, Expanded-Cinema, Filmreihe, Herzog, Jubiläum, Klassiker, Komödie, Kurzfilm, Mainka, Neuer-Deutscher-Film, Parodie, Reitz, Spielfilm, Stöckl, Underground, Ungern-Sternberg


Geschichten vom Kübelkind (1971)

Edgar Reitz gehört mit seiner Beteiligung am Oberhausener Manifest im Jahr 1962 zu den eindeutigen Vertretern des Neuen Deutschen Films, drehte aber bereits seit 1953 Filme: Dokumentarfilme und (bis Mitte der 60er Jahre) Avantgardefilme, zwischen Kurzfilm- und Expanded Cinema-Formaten. Diesen Arbeiten setzte er in “Die zweite Heimat – Chronik einer Jugend” (1992) ein Denkmal. Mit “Mahlzeiten” (1967) beginnt sein Frühwerk in die Phase der Langspielfilme überzugehen, wobei seine “Fußnoten” (1967) in zwei Fassungen als Ergänzungen zu den “Mahlzeiten” seine Expanded Cinema-Arbeiten fortführen und zugleich seine berüchtigte Heimat-Reihe (1981-2013) vorwegnimmt, in der etwa die Heimat-Fußnoten “Heimat-Fragmente: Die Frauen” (2006) zusammentrug. Vor allem die “Geschichten vom Kübelkind” sind in diesem Kontext zu sehen.
Diese Geschichten drehte Reitz zusammen mit Ula Stöckl: etwa fünf Jahre jünger und etwa 11 Jahre später zum Film gekommen – mit dem Kurzfilm “Antigone” (1964), der rückblickend ein Interesse an der Emanzipation vermuten lässt, das sich schließlich im ersten deutschen feministischen Spielfilm “Neun Leben hat die Katze” (1968) sowie im feministischen Gemeinschaftsprojekt “Das schwache Geschlecht muss stärker werden – Weibergeschichten” (1969) wiederfindet.
Beide wagten sich 1969 – jeweils bereits renommiert, aber zu abseitig, um schnell einen Verleih für künftige Projekte zu begeistern – an die “Geschichten vom Kübelkind”, die am 2. April 1971 erstmals zu sehen waren… im Rationaltheater, der Münchener Kleinkunstbühne in der Hohenzollernstraße… wobei das nicht so ganz stimmt. Womöglich hatte dort jener mehr als 200 Minuten fassende Film Premiere, der 2018 frisch restauriert nochmals zu sehen war. Eventuell war es allerdings auch eine der 4.194.302 Variationen des Films, die möglich sind. Denn “Geschichten vom Kübelkind” ist eigentlich ein Pool von 22 unterschiedlich langen (auf der DVD-/Blu-ray-Veröffentlichung einzeln anwählbaren) Kurzfilmen, aus dem heraus unterschiedliche Zusammenstellungen gefertigt werden konnten: 4.194.303 Optionen stehen einem da zur Verfügung. (Ursprünglich hatte man 64 Kübelkind-Kurzfilme angepeilt, aber dann war kein Geld mehr vorrätig…) Zusammengestellt wurden diese Version etwa in Kneipen, wo die Gäste wählen konnten, welche der 16mm-Filmchen gezeigt werden sollten. In ihnen schlägt sich ziemlich anarchisch jene Avantgarde- und Expanded Cinema-Vorliebe Reitz’ nieder wie auch der erwähnte feministische Ansatz Stöckls. (Wobei es sicher zu kurz gegriffen wäre, die Form rein auf Reitz und den Inhalt rein auf Stöckl zu projizieren…)
Das Kübelkind: das ist Kristine De Loup, eine der Hauptfiguren aus Stöckls “Neun Leben hat die Katze”. Es entsteigt – bereits erwachsen – einem Müllkübel bei seiner Geburt, anarcho-rot eingekleidet und recht eigensinnig, um als Opfer der Wohlfahrt einer pädagogischen Prägung zugeführt zu werden. Ob diese Episode am Anfang stehen soll, bleibt allen Programm-Zusammenstellenden freilich überlassen. In 21 anderen Beiträgen wird Kübelkind dressiert, von Werner Herzog (als Hurenmörder) erwürgt, als Hexe dem Scheiterhaufen zugeführt, von alten Männern begafft, von einer Prinzessin zur Märchenerzählerin gemacht – oder sie ertränkt Kübelkinder, sieht sich mit einer Schulklasse von VampirInnen konfrontiert, macht lesbische Erfahrungen, lässt sich von Grashalmen im Schritt kitzeln oder wird zum Spanking überredet… In unterschiedlichen Zeiträumen angesiedelt kommen die zweiminütigen bis 26minütigen Einzelfilmchen als Parodien etablierter Genres daher, tonal durchaus unterschiedlich ausfallend, aber doch immer ein wenig (oder ein wenig mehr) gegen den Strom schwimmend.
Das alles ist wohl für Filmliebhaber mit Mainstream-Scheuklappen nur schwer zu ertragen. Wer sich für unkonventionelle Formen und progressive Stoßrichtungen interessiert, ist hier aber ganz gut aufgehoben – und insbesondere bei einer Zuneigung zum Neuen Deutschen Film macht es durchaus Spaß zu sehen, wie die Cutterin Maximiliane Mainka auch einmal vor der Kamera spielt, wie Werner Herzog einen Hurenmörder gibt oder wie Kristine De Loup ungeniert auch für allerlei Quatsch zu haben ist. Auch kleine Neue Deutscher Film-Größen wie Wolfgang von Ungern-Sternberg oder Alf Brustellin sind in kleinen Rollen zu sehen.
Seit Februar 2019 ist der 2018 restaurierte Film, sind die 22 Filmchen im wundervoll ausgestatteten DVD-/Blu-ray-Mediabook von Arthaus zu bekommen: Eintrag von gül


PierrotLeFou



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