Vor 50 Jahren: Italiens Meisterregisseur porträtiert die ewige Stadt 11. März 2022 | Stichwörter: 1970er, Biographie, Dokumentarfilm, Fellini, Historienfilm, Italien, Jubiläum, Klassiker, Komödie, Magnani, Mastroianni, Porträtfilm, Rota, Spielfilm Roma (1972) Mit “Fellini – Satyricon” (1969) hatte er es selbst getan, die deutsche Titelschmiede tat es ihm dann seitdem nach: Es spricht fĂĽr die Publikumswirksamkeit des italienischen Autorenfilmers, dass man seinen Filmen hierzulande vielfach das GĂĽtesiegel “Fellinis” voranstellte. Das macht im Fall von “Roma” auch noch einmal deutlich, dass man es nicht einfach nur mit einem Porträt der ewigen Stadt Rom zu tun, sondern mit der ganz persönlichen Perspektive Fellinis, der in der Stadt schon viele Jahre lebte. So beginnt der am 9. März 1972 uraufgefĂĽhrte “Roma” mit einem Schulausflug, in dem Fellini Kindheitserinnerungen wie bald darauf in “Amarcord” (1973) in Szene setzt. Vom Geschichtsunterricht – auch auf der TheaterbĂĽhne – ĂĽberfĂĽhrt er den Film schnell in den normalen, wenngleich schrägen italienischen Alltag: zunächst noch immer angesiedelt in Fellinis Jugendzeit und in seinem Heimatort. Rom ist erst einmal nur in Gesprächen gegenwärtig, in Männergesprächen ĂĽber die römische Frau nicht zuletzt; und natĂĽrlich ist Rom auf Theaterbrettern und Kinoleinwänden gegenwärtig. Während der Zweiten Weltkriegs ging Fellini nach Rom – und auch die verfilmten Erinnerungen fĂĽhren nun in das Rom, das schnell von der Kriegszeit bis in die Gegenwart der frĂĽhen 70er Jahre springt: Die Erinnerung an den StraĂźenstrich geht diesem Sprung unmittelbar voran, ehe dann zu Nino Rotas Musik Fellinis eigener Aufnahmestab am Werk zu sehen ist. Das Unflätige und Laute wird betönt; bald folgen Interviewsequenzen, in denen ältere Herren einen Rom-Film mit mehr Hochkultur, Bildung und Anstand fordern und junge Leute der ’68er-Bewegung Politisierung einfordern. Fellini gesteht ein, nicht einmal seine eigenen Probleme in den Griff bekommen zu können und flĂĽchtet sich lieber in die Erinnerungen an mittelprächtige VarietĂ©-Nummern, unterbrochen von derben Kommentaren des Publikums und der Film wandert wieder in den Faschismus zurĂĽck, springt zu gegenwärtigen Ausgrabungen, bei denen Wandmalereien entdeckt werden, die infolge der Luftveränderung einem Zerfallsprozess anheimfallen, womit Fellini vage an sein “Fellini – Satyricon” anknĂĽpft. Freie Liebe der Hippies folgt – und “Fellini – Satyricon” war im Grunde schon ein Hippie-Film –, dann folgen Erinnerungen an die Bordelle aus Fellinis Jugend. Die Gewissensbisse leiten dann zum Katholizismus ĂĽber, die in einer legendären Modenschau der katholischen Kirche gipftelt: die fellineskeste Nummer des Films, ĂĽberbordend, skurril und angriffslustig. Es folgen dokumentarische Aufnahmen aus dem Nachtleben: Anna Magnani kommt als Verkörperung Roms zu Wort, Marcello Mastroiannis Interview verblieb im Schneideraum. Mit einer Motorradfahrt durch die nächtlichen StraĂźen – an “Toby Dammit” aus den “Histoires extraordinaires” (1968) gemahnend – beendet den Film schlieĂźlich. Ein bunter Bilderbogen ist “Roma” geworden, der sich nĂĽchterner Geschichts oder Heimatkunde verweigert, soziologische Perspektiven weitgehend meidet, aber doch ein lebendiges Bild entwirft, das EinfĂĽhlung in Mentalität, Temperament, Humor, Lebensart, Milieus und Schichten ermöglicht und durchaus seine Berechtigung hat: “Roma” ist nicht bloĂź eine autobiographisch geprägte Nabelschau, sondern ein Porträt römischen Lebens aus undistanzierter Innenperspektive eines Römers, der vor allem das pralle Leben in den Blick nimmt. Eine schöne Dual Format-Edition ist in der Reihe Masters of Cinema bei Eureka erhältlich: Fassungseintrag von Gergio PierrotLeFou
Roma (1972)
Mit “Fellini – Satyricon” (1969) hatte er es selbst getan, die deutsche Titelschmiede tat es ihm dann seitdem nach: Es spricht fĂĽr die Publikumswirksamkeit des italienischen Autorenfilmers, dass man seinen Filmen hierzulande vielfach das GĂĽtesiegel “Fellinis” voranstellte. Das macht im Fall von “Roma” auch noch einmal deutlich, dass man es nicht einfach nur mit einem Porträt der ewigen Stadt Rom zu tun, sondern mit der ganz persönlichen Perspektive Fellinis, der in der Stadt schon viele Jahre lebte. So beginnt der am 9. März 1972 uraufgefĂĽhrte “Roma” mit einem Schulausflug, in dem Fellini Kindheitserinnerungen wie bald darauf in “Amarcord” (1973) in Szene setzt. Vom Geschichtsunterricht – auch auf der TheaterbĂĽhne – ĂĽberfĂĽhrt er den Film schnell in den normalen, wenngleich schrägen italienischen Alltag: zunächst noch immer angesiedelt in Fellinis Jugendzeit und in seinem Heimatort. Rom ist erst einmal nur in Gesprächen gegenwärtig, in Männergesprächen ĂĽber die römische Frau nicht zuletzt; und natĂĽrlich ist Rom auf Theaterbrettern und Kinoleinwänden gegenwärtig. Während der Zweiten Weltkriegs ging Fellini nach Rom – und auch die verfilmten Erinnerungen fĂĽhren nun in das Rom, das schnell von der Kriegszeit bis in die Gegenwart der frĂĽhen 70er Jahre springt: Die Erinnerung an den StraĂźenstrich geht diesem Sprung unmittelbar voran, ehe dann zu Nino Rotas Musik Fellinis eigener Aufnahmestab am Werk zu sehen ist. Das Unflätige und Laute wird betönt; bald folgen Interviewsequenzen, in denen ältere Herren einen Rom-Film mit mehr Hochkultur, Bildung und Anstand fordern und junge Leute der ’68er-Bewegung Politisierung einfordern. Fellini gesteht ein, nicht einmal seine eigenen Probleme in den Griff bekommen zu können und flĂĽchtet sich lieber in die Erinnerungen an mittelprächtige VarietĂ©-Nummern, unterbrochen von derben Kommentaren des Publikums und der Film wandert wieder in den Faschismus zurĂĽck, springt zu gegenwärtigen Ausgrabungen, bei denen Wandmalereien entdeckt werden, die infolge der Luftveränderung einem Zerfallsprozess anheimfallen, womit Fellini vage an sein “Fellini – Satyricon” anknĂĽpft. Freie Liebe der Hippies folgt – und “Fellini – Satyricon” war im Grunde schon ein Hippie-Film –, dann folgen Erinnerungen an die Bordelle aus Fellinis Jugend. Die Gewissensbisse leiten dann zum Katholizismus ĂĽber, die in einer legendären Modenschau der katholischen Kirche gipftelt: die fellineskeste Nummer des Films, ĂĽberbordend, skurril und angriffslustig. Es folgen dokumentarische Aufnahmen aus dem Nachtleben: Anna Magnani kommt als Verkörperung Roms zu Wort, Marcello Mastroiannis Interview verblieb im Schneideraum. Mit einer Motorradfahrt durch die nächtlichen StraĂźen – an “Toby Dammit” aus den “Histoires extraordinaires” (1968) gemahnend – beendet den Film schlieĂźlich. Ein bunter Bilderbogen ist “Roma” geworden, der sich nĂĽchterner Geschichts oder Heimatkunde verweigert, soziologische Perspektiven weitgehend meidet, aber doch ein lebendiges Bild entwirft, das EinfĂĽhlung in Mentalität, Temperament, Humor, Lebensart, Milieus und Schichten ermöglicht und durchaus seine Berechtigung hat: “Roma” ist nicht bloĂź eine autobiographisch geprägte Nabelschau, sondern ein Porträt römischen Lebens aus undistanzierter Innenperspektive eines Römers, der vor allem das pralle Leben in den Blick nimmt. Eine schöne Dual Format-Edition ist in der Reihe Masters of Cinema bei Eureka erhältlich: Fassungseintrag von Gergio
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