“Gekürzt gucke ich nicht!” Wohl so ziemlich jeder hat den Satz in dieser oder ähnlicher Form schon gehört, gedacht oder gesagt. Schließlich will man doch alles sehen, nichts verpassen und etwas Ordentliches für sein Geld bekommen. Doch ist das eigentlich immer so einfach? Was ist eigentlich “ungekürzt”? Ab wann ist ein Film “geschnitten”?
Beginnen wir mit einem einfachen Beispiel, dem neuen Film von Arnold Schwarzenegger: The Last Stand. Der Film, in dem der “Gouvernator” einen Sheriff spielt, wird ab Donnerstag im Kino zu sehen sein. Allerdings gegenüber der amerikanischen R-Rated-Fassung um etwa 22 Sekunden gekürzt und dadurch mit einer Freigabe ab 16 Jahren versehen. Ganz einfach: Die Originalfassung ist ungekürzt, die deutsche Kinofassung wird um ein paar Szenen erleichtert und ist deswegen gekürzt. In ungeschnittener Fassung wird der Film in Deutschland wohl erst für zu Hause erscheinen.
Ein wenig komplexer ist da schon George Romeros Dawn of the Dead. Von diesem Film existieren drei offizielle Schnittfassungen:
1. Die Kinoversion – auch als “Romero Cut” bekannt, wie sie in den USA gezeigt worden ist, mit einer Lauflänge von circa 128 Minuten.
2. Die “Extended Version”, welche für die Aufführung in Cannes 1978 angefertigt worden ist, mit einer Lauflänge von circa 140 Minuten.
3. Der “Europa Cut” bzw. die Argento-Version, welche von Dario Argento für den europäischen Markt geschnitten wurde, mit einer Lauflänge von circa 120 Minuten.
Und damit beginnt das Würfelspiel. Streng genommen sind alle Fassungen offizielle Versionen des Films, also als ungekürzt zu betrachten. Doch muss sich wohl jeder selbst fragen, was ihm wichtiger ist, wenn man nicht der Meinung ist, dass alle Fassungen ungekürzt sind. Zählt die Argento-Version als ungekürzt, weil sie mehr Gewalt zeigt? Ist die “Extended Version” nicht eher als ungekürzt zu betrachten, da sie die längste Fassung ist und alle anderen Fassungen nur Stückwerk? Zählt der Regisseur am stärksten und damit die Kinoversion?
Eine andere Variante: Wer sich irgendwann einmal einen nicht mehr ganz aktuellen Film gekauft bzw. gesehen hat, dem sind sicher schon kleinere Sprünge aufgefallen, die durch Filmrisse zu Stande gekommen sind. Da hüpft dann beispielsweise eine Figur von einer Seite des Bildes zur anderen, obwohl sie eigentlich gemütlich gehen sollte. Ist das jetzt schon gekürzt? Oder sollte man froh sein, dass es noch etwas Material gibt und dieser Film überhaupt noch einem Publikum präsentiert werden kann? Im OFDb-Sinne zählen solche “Fehlstellen” übrigens nicht als gekürzt.
Und was ist mit detailversessenen Regisseuren? Mein ganz persönlicher Liebling ist beispielsweise Michael Mann. Egal, ob man seine Filme nun mag oder nicht, es ist ein Fakt, dass er sie beinahe immer wieder bearbeitet. Da ist selbst das “Director’s Cut”-Siegel kein Garant mehr für die finale Fassung. Wer es nicht glaubt, kann sich ja den Director’s Cut und den Digital Remastered Director’s Cut von Manhunter – Roter Drache anschauen. Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass dort auch technische Umstände bei der Veränderung eine Rolle spielten. Als zweites Beispiel sei Der letzte Mohikaner genannt. Während es in Deutschland bisher nur die Kinofassung auf DVD gibt, kann (bzw. konnte) man in den USA zwischen “Director’s Expanded Edition” und seit kurzem dem “Director’s Definitive Cut” wählen. Beiden Versionen wurde der Segen vom Regisseur gegeben. Bedeutet das, man muss Film eher als sich veränderndes, nie wirklich fertiges Werk betrachten? George Lucas würde dies sicher bejahen…
Und wo fängt eigentlich das Kürzen an? Ist nicht schon eine erste Überarbeitung eines Drehbuchs eine Kürzung? Wenn hemmungslos Szenen und ganze Handlungsstränge gestrichen, verkürzt oder umgedichtet werden? Was ist, wenn die Produzenten eines Films vor der ersten Aufführung sagen: “Die Szene kommt weg!”? In diesem Zusammenhang könnte man auch überlegen, ob nicht Testvorführungen (beispielsweise in den USA) nicht die einzige ungekürzte Fassung eines Films darstellen.
Abschließend noch die Frage nach der Autorisierung. Man denke beispielsweise nochmals an den bereits erwähnten Dawn of the Dead, bei dem ein deutscher Filmemacher eine Fassung erstellte, die so ziemlich alles verfügbare Material in eine Fassung gepresst hat, Hauptsache am längsten. Ein in etwa ähnliches Beispiel ist Dune – Der Wüstenplanet. Bei David Lynchs Filmversion von Frank Herberts Buch wurde zusätzlich eine längere TV-Fassung erstellt. Lustigerweise gibt es in der jeweils anderen Fassung Szenen, die in der anderen nicht enthalten sind. Lynch selbst taucht in der TV-Fassung übrigens nicht mehr als Regisseur auf, stattdessen wird dort “Alan Smithee” als Regisseur angegeben. Jenes Pseudonym also, das verwendet wird, wenn sich der entsprechende Künstler von einem Werk distanzieren will.
Was meinen Sie, werte OFDb-Nutzer, wo fangen Kürzungen an?
Für mich ist in Zweifelsfällen in erster Linie der Regisseur derjenige, der zu bestimmen hat, welche Szenen in einem Film drin sind und welche nicht. Im Fall von Dawn of the Dead muß man akzeptieren, daß es unterschiedliche von den Regisseuren gestaltete Schnittfassungen gibt. Ich bezeichne die alle als legitim, und wer mag, kann sich ja alle Fassungen ansehen. Die superlange nicht von den Regisseuren gebastelte Fassung ist für mich hingegen eine Art “negative Kürzung”, jedenfalls nichts, was den ursprünglichen Intentionen der Macher entspricht.
Gleiches gilt allgemein auch für den beliebten “Directors Cut”, ganz gleich, ob ein Regisseur seinen ursprüngliches Werk dabei verhunzt oder verbessert – es ist sein gutes Recht.
Nicht leiden kann ich hingegen die Fälle, in denen Studios Filme aus wirtschaftlichen Gründen nachträglich ohne Einverständnis des (abhängig beschäftigten) Regisseurs völlig (neu) zusammenschneiden, kürzen oder sonstwie verändern.
Ganz und gar lehne ich Kürzungen, Umsynchronisierungen und sonstige Filmverstümmelungen durch nachgeordnete Einrichtungen ab, sei es aus politischen, wirtschaftlichen juristischen oder moralischen Erwägungen. Es sollte verpflichtend sein, auf derartige nicht vom Regisseur autorisierte Veränderungen deutlich hinzuweisen.
Ein ganz finsteres Kapitel sind dabei für mich die Fernsehsender. Muß man schon Werbeunterbrechungen und mit Geräuschen unterlegte Programmhinweis-Einblendungen, abgeschnittene Nachspänne mit drübergesprochenen Programmhinweisen und Laufzeitmanipulationen ertragen, wird hier auch noch geschnitten, was das Zeug hält. Und das häufig genug über die von der FSK für bestimmte Altersfreigaben bereits auferlegten Schnitte hinaus, ganz nach dem Gusto der Fernsehredaktionen. Das Ganze dann obendrein dilettantisch und sinnentstellend ausgeführt.
Man stelle sich vor, ein Buchhändler würde aus Büchern Seiten rausreißen oder schwärzen, weil ihm das Buch zu schwer, zu pornographisch oder zu gewalttätig ist oder er grad Papier braucht, um seinen Holzofen anzuzünden.
Schöner Beitrag.
Zum Glück gibt es ja die OFDb, in der man – möglicherweise in Kombination mit schnittberichte.com – die einzelnen Fassungen eines Filmes gut miteinander vergleichen kann, bevor man zugreift. Ich wäge das (sofern es nicht offensichtlich ist) von Film zu Film ab, was da für mich die beste Einstiegsfassung ist, im Zweifelsfall und wenn der Film nach Erstsichtung gefällt, kann man den Rest ja auch noch nachkaufen.
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Für mich ist in Zweifelsfällen in erster Linie der Regisseur derjenige, der zu bestimmen hat, welche Szenen in einem Film drin sind und welche nicht. Im Fall von Dawn of the Dead muß man akzeptieren, daß es unterschiedliche von den Regisseuren gestaltete Schnittfassungen gibt. Ich bezeichne die alle als legitim, und wer mag, kann sich ja alle Fassungen ansehen. Die superlange nicht von den Regisseuren gebastelte Fassung ist für mich hingegen eine Art “negative Kürzung”, jedenfalls nichts, was den ursprünglichen Intentionen der Macher entspricht.
Gleiches gilt allgemein auch für den beliebten “Directors Cut”, ganz gleich, ob ein Regisseur seinen ursprüngliches Werk dabei verhunzt oder verbessert – es ist sein gutes Recht.
Nicht leiden kann ich hingegen die Fälle, in denen Studios Filme aus wirtschaftlichen Gründen nachträglich ohne Einverständnis des (abhängig beschäftigten) Regisseurs völlig (neu) zusammenschneiden, kürzen oder sonstwie verändern.
Ganz und gar lehne ich Kürzungen, Umsynchronisierungen und sonstige Filmverstümmelungen durch nachgeordnete Einrichtungen ab, sei es aus politischen, wirtschaftlichen juristischen oder moralischen Erwägungen. Es sollte verpflichtend sein, auf derartige nicht vom Regisseur autorisierte Veränderungen deutlich hinzuweisen.
Ein ganz finsteres Kapitel sind dabei für mich die Fernsehsender. Muß man schon Werbeunterbrechungen und mit Geräuschen unterlegte Programmhinweis-Einblendungen, abgeschnittene Nachspänne mit drübergesprochenen Programmhinweisen und Laufzeitmanipulationen ertragen, wird hier auch noch geschnitten, was das Zeug hält. Und das häufig genug über die von der FSK für bestimmte Altersfreigaben bereits auferlegten Schnitte hinaus, ganz nach dem Gusto der Fernsehredaktionen. Das Ganze dann obendrein dilettantisch und sinnentstellend ausgeführt.
Man stelle sich vor, ein Buchhändler würde aus Büchern Seiten rausreißen oder schwärzen, weil ihm das Buch zu schwer, zu pornographisch oder zu gewalttätig ist oder er grad Papier braucht, um seinen Holzofen anzuzünden.
Schöner Beitrag.
Zum Glück gibt es ja die OFDb, in der man – möglicherweise in Kombination mit schnittberichte.com – die einzelnen Fassungen eines Filmes gut miteinander vergleichen kann, bevor man zugreift. Ich wäge das (sofern es nicht offensichtlich ist) von Film zu Film ab, was da für mich die beste Einstiegsfassung ist, im Zweifelsfall und wenn der Film nach Erstsichtung gefällt, kann man den Rest ja auch noch nachkaufen.