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"The Outtake" - die exklusive Kolumne

The Outtake

Vom Umgang mit Normalsterblichen!

13. Oktober 2005 | Stichwörter: keine


“They’re coming to get you, Barbara, there’s one of them now!” (Night of the Living Dead)

Silvan Prefetzky aka MoonshadeSprechen wir mal über Randgruppen.

Da gab es vor Jahren mal eine Kabarettgruppe, in der ein begabtes Mitglied wie zufällig zwischendurch mit dunkler Brille und Blindenstock über die Bühne tänzelte, um dann mit leicht tuckiger Stimme zum Besten zu geben: “Ich bin zwei Randgruppen!”. Als Zugabe wurde die Nummer noch mal wiederholt, zum Jolen und Jubeln des Publikums ergänzt durch ein: “Schreit doch nicht so, sonst bin ich bald drei Randgruppen!”

Und dann durchlebe (oder durchleide) ich immer wieder Kinobesuche und salbadere mir währenddessen und im Anschluß durchs Hinterköpfchen: Immer dran denken, hier bist du die Randgruppe! Oder noch besser, das obere Ende der Nahrungskette. Scheuch nicht die Antilopen auf!

Selten war ein Hobby kräfteverschleißender und mental zehrender, denn wie alle Randgruppen sind auch die Filmfans in der Minderheit.

Und damit ist der ganz harte Kern gemeint, diejenigen, welche über Filmtheorie gelesen haben; Lieblingsregisseure besitzen, die es schon vor 1995 gab; mit dem Problem klar kommen müssen, einen Film immer unter mehreren Gesichtspunkten gleichzeitig zu sehen, also Plot, Regie, visuelle Umsetzung, filmhistorische Bedeutung, Kamera, Ausstattung und Schnitt, bei gleichzeitiger Akzeptanz oder Ausblendung von Klischees, Zitaten, Product Placement, ohne bei dem Versuch weißliche, leicht schäumende Substanzen oral abzusondern und sich in der Schultern des Nebenmanns zu verbeißen.

Wir leisten Schwerstarbeit, das sollten alle Normalsterblichen langsam mal kapieren.

Und das Schlimmste: wir können gar nicht anders, außer wir erleben einen dieser segensreichen Momente, wo ausreichend Alkoholika ein bewußtes Abschalten dieses Teils unseres Gehirns möglich macht (der Autor führt in diesem Zusammenhang mal eine Uncut-Fassung von “Blade” auf).

Ach nee, war doch noch nicht das Schlimmste, denn wir haben den Kinosaal ja nicht ganz für uns allein. Da sind ja noch die anderen, die George Romero gemeint haben muß, als er den Satz unsterblich machte: “Wenn in der Hölle kein Platz mehr, kehren die Toten auf die Erde zurück!”

Was er uns verschwiegen hat: sie gehen dann postwendend ins Kino.

Müssen, ja, können wir lernen, sie zu akzeptieren?

Können wir mit ihnen leben?

Was kann ich noch Besseres tun, als leise “There is no place like home!” vor mich hinmurmelnd die Treppen zum Ausgang hochzusteigen, anstatt die mich begleitende Herde durch einen Schmerzensruf aufzuschrecken, meinen Mantel zurückzuschlagen, den Zündmechanismus zu betätigen und laut zu schreien: “Ich liebe den Geruch von Napalm am Abend!“, woraufhin der Mob samt mir und meiner gehobenen Streitaxt in einem Meer von Glut und Feuer untergeht?

Ein schöner Gedanke, aber dann würde mir so mancher gute Film entgehen.

Also gebe ich mich der Lethargie und lasse den Film in mir noch einmal ablaufen, auf das ich nicht bemerken möge, daß der Typ neben mir definitiv “lost in translation” ist, weil er den gerade gesehenen John C.Reilly aus “Dark Water” irgendeinem anderen Film zuzuordnen versucht, in dem er ihn doch schon gesehen hat und reihenweise falsche Beispiele nennt, während er sich gleichzeitig noch nicht mal an seinen Namen erinnert.

So muß das Dasein als Mönch sein: ein Leben in Demut, erfüllt vom Glauben an den großen Gott Film. Und die Ungläubigen sitzen sich in der Messe die Hosenböden platt! Lobet den Herrn! Alle anderen beten drei imdb-Unser, bis sie die Besetzungsliste von “Der Name der Rose” auswändig runterleiern können. Gehet denn hin in Frieden, aber haltet die Klappe!

Doch auch die andere Realität (damit ist der Rest von Privatleben gemeint, den man sich noch zu gönnen traut) wird längst davon beeinflußt.

War ich früher stolz auf meine Tätigkeiten und die Anzahl geschriebener Filmkritiken, so breite ich inzwischen verstärkt Stillschweigen über meine Aktivitäten aus. Es ist gesünder so, würde ich sagen.

Ansonsten droht allerorten Gefahr, etwa durch selbsternannte Konkurrenz, bei denen ein Hauch von Selbstbewußtsein schon zu Satisfaktionsforderungen führt. Kaum hatte ich neulich in einem Club munter ein paar Worte zuviel verloren, schon wurde ich mit einem oskuren Zitat traktiert, daß ich, natürlich, nicht sofort zuzuordnen wußte, um mir dann anhören zu müssen, ich würde meinen “Lawrence von Arabien” ja nicht besonders gut kennen. In solchen Fällen hatte ich nun zwei Möglichkeiten: den guten Jungen mit einer Tasse Hochprozentigem Absinth übergießen, an seinem Pferdeschwanz zum DJ zu zerren, um diesem eine einzigartige Performance zu gönnen, den ersten Gast, der ASPs “Ich will brennen!” wörtlich nehmen wollte – oder eben schulterzuckend ihm seinen kleinen Triumph zu gönnen. Ich entschied mich für Letzteres und flocht in die nächsten 5 Minuten unbemerkt ein halbes Dutzend Zitate in unser “Gespräch” ein, die er natürlich nicht bemerkte, weil sie nicht als solche gekennzeichnet waren. Selig sind die Ahnungslosen!

Ist das jetzt Nerd-Humor? Müssen wir uns schützen?

Anscheinend, nicht zuletzt vor uns selbst.

Denn, auch das ist zu vermerken, wenn wir nicht mit einer Art geheimbündlerischen Akzeptanz darüber hinwegsehen würden, daß unsere speziellen Vorlieben bisweilen weit auseinander liegen, würde jedes Filmfan-Treffen damit enden, daß wir nach dem Genuß von ausreichend Kurzgegorenem (also noch am ersten Abend) mit Keule und Schwert aufeinander losgehen würden.

Was halten wir denn schon von uns? Jeder denkt vom anderen: einen Geschmack wie mit der Bettpfanne geklöppelt, aber andererseits auch: Mannomann, der/die hat was drauf!

Und man akzeptiert sich.

Zurück zu den Normalsterblichen.

Ich kann nur empfehlen, sich in Gesellschaft jener schön bedeckt zu halten. Ist eh schwer genug, denn in einer gemütlichen Kaffeerunde, bei einem Kneipenbier oder während einer Party kommt die Rede mit letaler Zielgenauigkeit irgendwann sowieso beim zuletzt gesehenen Film an, entweder vor oder nach dem neuen Computer, dem neuen Auto, der Hochzeit von Freunden, den künftigen Urlaubszielen, dem neuen/alten Freund/in, der Dekoration oder irgendwelchen ferkeligen Nostalgika aus der guten alten Zeit.

Ist es dann soweit, heißt es, Zunge zwischen die Zähne klemmen. Ein Gutteil der Leute weiß, daß du der Pate dreier Sitzreihen im örtlichen Stammkino bist und die Rede zwangsläufig auf deine Meinung dazu kommt.

In solchen Momenten ist es hilfreich, Nahrungsmittel oder Getränke bei der Hand zu haben, um die Dummschwätzer unter den Anwesenden nicht in Grund und Boden zu diskutieren oder schlimmer noch, sie mit Cocktailwürstchen zu verprügeln.

Und solange man unablässig kaut, kann man auch nicht manisch so lange über sein Lieblingsthema referieren, bis die Blicke aller Anwesenden Hilfeschreien gleichen.
Wohldosiert muß es sein, zieh den Stecker nach fünf Minuten und warte auf Nachfragen.

Kommen keine, laß es gut sein.

Bis du die verwandte Seele auf der Party/am Tisch/in der Ecke/ auf der Veranda gefunden hast.

Keine Chance jedoch hat man gegen wohlmeinende Suggestivfragen wie : “Sag mal, du hast doch auch (ein bißchen) Ahnung von Filmen, nicht?” Solche Augenblicke sind Todesfallen, das ist Schmeichelei und Zweifel auf dem gleichen Sandwich. Wer da nicht gerade auf einem Fleischbällchen herumkaut, kann vollends aus der Fassung geraten, sich in eine Kaskade aus unechter Bescheidenheit, unechtem Geehrtsein und eklem Selbstlob verwandeln. Kauen, Schlucken, nach unten sehen, so muß es laufen. Dann ein halber Augenaufschlag. Und halb gemurmelt: “Ein Bißchen…”

Das kann wirklich funktionieren, schafft man die Hürde, kann man ernsthaft über das Thema reden.

Vielleicht ist es das, was wir brauchen, um mit unserem Los fertig zu werden.

Die neue Sachlichkeit!

Vielleicht brauchen wir aber auch nur einen Anruf um halb zwei Uhr morgens, weil fünf Leute an einem Filmzitat verzweifeln und nur wir noch helfen können, weil wir uns die Nachtfilme ja eh einpfeifen.

Danach schläft es sich dreimal so gut, das kann ich euch flüstern.

(Verdammungen, konstruktive Kritik und Lob bitte bis auf weiteres an: Everythingcounts@gmx.net)


Silvan Prefetzky



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