So, ich bitte meine lange Abstinenz zu entschuldigen – kreative Löcher gibt’s nun mal überall und ich hab einen längeren Urlaub im Deltaquadranten genommen.
Nu möckern aber schon die Adminkollegen, da muß man schnell wieder ran.
Sofort tierischen Aktionismus in Gang gesetzt.
Erste Idee: ab nach Heiligendamm und irgendeinem Staatschef die Fresse polieren – am besten dem Sarkozy, der kommt sich noch so schön unangreifbar vor. Dann gibt George Walker Bush jedoch zu, dass der Klimawandel doch menschgemacht sein könnte – Plan geplatzt.
Zweite Idee: in die Autonomenkommune fahren und den Schwarzkutten da mal “Stammheim” und “Armageddon” im Double Feature unter dem Titel “Grindhouse 2″ unterjubeln. Da meine Freundin mich aber nicht in Rostock auf der Komastation besuchen will, lasse ich auch diesen Programmpunkt fallen.
Da retten mich mein Briefkasten: meine neue Cinemaxx-Card ist da!
Gottseidank habe ich dieses heiße Gerät noch als Dauer-Saal-Arschplattsitzer abgestaubt, der Weg dahin war aber mit Galle gepflastert.
Für alle, die es noch nicht wissen: dieses wunderschöne Rabattinstrument ist nämlich gar gänzlich dem Tode geweiht.
Die Marketingabteilungen aus dem Hause Flebbe hat sich nämlich was gar Neues ausgedacht und damit geht man mit dem Fallbeil gegen die Cx-Card und die von uns ebenfalls gern benutzte Siebener-Karte vor (Sechs Filme abstempeln, der Siebte frei).
Was erwartet uns also ab 01.Juli frohgemut: die Cinemaxx-Bonuscard.
Nun tendiere ich sowieso dazu, übermäßigen Kredit- und Rabattkartenstau in der Brieftasche abzulehnen; das masochistische Dauertanken in dem Wissen, dafür irgendwann man zufällig einen bunten Strandball abzufegen, über den sich jeder jenseits der Grundschulgrenze natürlich wie Bolle freut, war mir schon immer suspekt – und Karstadtkassenfacharbeiterinnen begrüße ich schon grundsätzlich mit den Worten: “Keine Kundenkarte!”.
Da braucht man natürlich eine weitere Karte ungefähr so dringend wie einen dritten Hoden oder wahlweise eine neue Währungsreform.
Aber betrachten wir mal nüchtern, was uns unser liebster Konzern da so antut:
Die neue Karte kostet im Vergleich zur Cx-Card schon mal 100 Pro weniger, nämlich gar nichts, also gute Voraussetzungen dafür, dass von Professor Hastig bis zu Freddy Hauptschüler alle feuchte Hände bekommen.
Dann sammelt mit jedem ausgegebenen Euro ein Pünktelein auf der neuen Bonuscard, ergo ist es egal, ob die Kohle für Karten, Popcorn, Nachos, Bier oder Softdrinks rausgepulvert wird. Hier zieht das “Mehr Punkte reizt zum mehr ausgeben”-Prinzip, was ja auch erst mal Nachdenken erfordert, bis man den Fehler in der Gleichung bemerkt.
Den erkennt der fachkundige Kenner aller Grundrechenarten spätestens, wenn er sich die Prämien anschaut, die man mit dem Teil irgendwie und irgendwann mal abstauben kann.
Ich zitiere: für einen halben Liter kostenlose Plörre auf Koffein- und Zuckerbasis (und zwar das gezapfte Gebräu, das durchschnittlich dreieinhalb Minuten braucht, um in einem Pappbecher sämtliche Kohlensäure zu entsorgen) legt man mal flotte 50 Punkte hin. Das entspricht bei den heutigen Cinemaxx-Preise runden 9-10 gekauften Kinokarten.
Für ein Bierchen muß man schon noch einen Zehner mehr unter die Leute gebracht haben, die Nachos mit der grünen Käsewichse sind ab 75 Big Points zu haben und eine große Tüte Knuspermais ist für lässige 90 zu erwerben.
Den Vogel in dieser Rechnung schießt aber die Freikarte ab, die für satte 120 Punkte zu haben ist und damit auf 20 Kinobesuche (Dienstag ausgenommen, nach Möglichkeit Montag oder Mittwoch, keine Überlänge, keine Loge) umgerechnet werden kann, zumindest wenn man es wie ich vermeidet, das Vierfache eines normalen Bahnhofskiosks für Knabberkram zu löhnen.
Für all die getreuen Groß- und Kleinfamilien, die sowieso pro Besuch vier Softdrinks, zwei Popcorn, zwei Nachos und drei Eistüten erwerben müssen, rechnet sich das vielleicht in aller Geistesschwäche.
Aber kann mal bitte nicht jeder an die Kinder denken?
Denkt doch einmal bitte an die Cineasten!
Für gewöhnlich gehe ich nämlich ins Kino, weil ich die Filme sehen will – und die nicht zu knapp. Momentan stehe ich so bei 70-80 Filmen pro Jahr, da lohnt es schon, wenn durch die Rabattkarte der Logenaufschlag entsorgt wird.
Natürlich weiß ich, dass die Kinos inzwischen die dicke Kohle mit dem Futtertresen machen, im Rindergehege ist da ja auch am meisten los – deswegen müsste man die altbewährte Regelung aber nicht ganz abschaffen.
Denn: Rabatte für häufigen Kinobesuch werden per 01.Juli damit Geschichte sein – zu selten benutzt, zu wenig nachgefragt – woran das wohl liegen mag, am Ende noch am Kinoprogramm. Gott bewahre!
Wirklich fuchsig macht mich aber die flotte Marketingbotschaft, wie viel neuer und viel besserererer das Projekt “Bonuscard” den Kinobesuch doch macht.
Lieber Herr Flebbe und Anhang: verarschen kann ick mir alleene!
Nicht nur, dass die Boni im Vergleich zu früher eindeutig zwei bis drei Klassen tiefer einzuordnen sind, im Verhältnis zu “vorher” wirkt das Angebot wie ein kühner Schlag ins Gesicht jedes Dauerbesuchers.
Ich habe also keine neuen tollen Vorteile, im Gegenteil, sie wurden mir gegenüber früher sogar noch reichlich beschnitten.
Selbstverfreilich ist die Cx-Gruppe insgesamt überhaupt nicht verpflichtet, mir einen Bonus fürs Kommen anzudienen, aber letztendlich nimmt man ihn doch gern, das gebe ich zu.
Mich von einer anonymen und einfallslosen Marketingabteilung (das Prinzip ist bei weitem nicht neu) jedoch für dumm verkaufen zu lassen, brauche ich ebenfalls nicht.
Dummerweise ist meine Heimat Hannover sozusagen Monopolzone für Onkel Flebbe, der 85 Prozent Marktanteil abfegt und das nächste Cinestar verlangt schon erhöhten Straßenbahn- oder Autoeinsatz für wackeres Protestmeiden der Protzpaläste – aber ich habe ernsthaft darüber nachgedacht. Und auch darüber, ob es nicht manchmal doch besser ist, auf die DVD zu warten, statt ins Kino zu tingeln.
Also, Freunde der Großstadt: ihr habt noch bis zum 30.06.07 Zeit, es mir nachzutun. Noch kann man das alte Kärtchen bunkern und auf diese Weise hab ich noch mal 13,5 Monate Euro-Rabatt rausgeschlagen, schließlich dauert jeder Entzug seine Zeit.
Macht euch als Betroffene bloß auf die Socken, denn soviel abfegen werdet ihr eine ganze Weile nichts mehr – bis eventuell auch diese tolle Neuerung den Weg allen Fleisches (oder Papieres) geht.
Aber das kann Jahre dauern – und Heimkinoanlagen werden ja auch immer billiger…
Silvan Prefetzky
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