Schon in den frĂĽhen 70er Jahren drehte Kiyoshi Kurosawa Kurzfilme; in der ersten Hälfte der 80er Jahre näherte er sich mehr und mehr dem Langfilmformat an; Ende der 80er Jahre spielte bereits der Horrorfilm eine merkliche Rolle. Aber erst mit dem am 6. November 1997 uraufgefĂĽhrten “Kyua” gelang ihm eine internation wahrgenommene Karriere, während zeitgleich ab etwa Hideo Nakatas “Ringu” (1998) auch der japanische Horrorfilm insgesamt zu boomen begann. Dabei greift man zu kurz, in Kurosawa einen reinen Horrorfilm-Regisseur sehen zu wollen: Renommierte Dramen wie “TĂ´kyĂ´ sonata” (2008) lassen erkennen, dass die Interessen breiter gefächert sind; zudem lieferte Kurosawa so manchen mild phantastischen Film ab, die aber keinerlei Horror zu entfalten gedachten – etwa “Kishibe no tabi” (2015) und sein französisches DebĂĽt “Le secret de la chambre noire” (2016)… sein wohl beachtlichster Horrorfilm, “Kairo” (2001), entpuppt sich zudem als einigermaĂźen abstrakte Studie von Einsamkeit, Vereinsamung und Depressionen im Zeitalter der neuen Kommunikationsmittel.
Es verwundert nicht, dass Kurosawa eher von der Autorenfilm-Zielgruppe als vom Horror-Fandom vereinnahmt wird. Seine Vorbilder lassen sich dann auch oft genug im hochkulturellen Feld finden: “Le secret de la chambre noire” etwa greift Diskurse um Fotografie, Abbildung, Kopie, KĂĽnstlichkeit und die Maschine Mensch auf, wie sie um 1900 herum auch mit dem Siegeszug von Fotografie und Film sehr populär worden. In “Kyua” konnte man bereits altbekannte Motive rund um Hypnose, Mesmerismus, Manipulation und Willensverlust vorfinden, die einem aus Standardwerken der Phantastik vertraut waren: Die unheimliche, unerklärliche Macht der Hypnose, die E. A. Poe in “Mesmeric Revelation” (1844) und “The Facts in the Case of M. Valdemar” (1845) einsetzte, findet sich hier wieder; aber auch der willenlose somnambule Killer aus Robert Wienes “Das Cabinet des Dr. Caligari” (1920); oder auch schon der ruchlose Ventriloquist Carwin, der in Charles Brockden Browns gothic novel “Wieland: or, The Transformation: An American Tale” (1798) möglicherweise einen Mann zum Mord an seiner Familie getrieben hat; aber auch der Ich-Verlust von Subjekten in den Transplantations-ReiĂźern seit Maurice Renards “Le Docteur Lerne, Sous-Dieu” (1908) und “Les Mains d’Orlac” (1920)… oder der im Koma liegende Täter mit dem katastrophal telekinetisch wirkenden Hirn in Peter Van Greenaways “The Medusa Touch ” (1973)… In “Kyua” gerät ein Inspektor, der sich privat um seine depressive Partnerin sorgt, in eine mysteriöse Mordserie: zwar gibt es ein Muster, es scheinen allerdings viele unabhängig voneinander mordende Täter gewirkt zu haben. Die Lösung könnte in dem undurchsichtigen Mamiya liegen: einem frĂĽheren Psychologiestudenten, der sich intensiv mit Hypnose und Mesmerismus befasst hatte – nun aber ohne Erinnerung und leicht katatonisch vor sich hinzuvegetieren scheint. Ein äuĂźerst beunruhigender Film ist Kurosawa hiermit gelungen; nicht bloĂź, weil er eine phantastische Prämisse ausbaut, die grauenerregend ist, sondern auch deshalb, weil ein GespĂĽr dafĂĽr erweckt wird, wie sehr man selbst mit all seinen Stimmungen und Taten stets auch Produkt seiner Mitmenschen ist.
In Eurekas empfehlenswerter Masters of Cinema-Reihe ist “Kyua” dankenswerterweise wie manch andere Kurosawas als gut ausgestattete Dual Format Edition zu bekommen: Fassungseintrag von Black Smurf
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