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Vor 50 Jahren: Eduard Grecners Letzter für 25 Jahre – 1968-Retrospektive VIII, Prager Frühling I

Mittwoch, 30. Mai 2018 - 00:00 | Anniversary-Ecke | Stichwörter: 1960er, 1968-Retrospektive, Avantgarde, Chrobak, Drama, Grecner, Historienfilm, Jubiläum, Klassiker, Literaturverfilmung, Nová-vlna, Parabel, Prager-Frühling, Spielfilm, Tschechoslowakei, Zeljenka
Von PierrotLeFou

Drak sa vracia (1968)

Während 1968 in Frankreich der Pariser Mai tobte und eine ganze Bewegung mit Optimismus erfüllte, zeichnete sich in der Tschechoslowakei hingegen der Anfang des bitteren Endes des Prager Frühlings ab. Erst hatten Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle Antonín Novotný, dem Generalsekretär der KP, zu schaffen gemacht, dann die Slowaken: Am 5. Januar 1968 muss er zurücktreten und Alexander Dub?ek Platz machen, der ganz anders als Novotný auf Reformen und Liberalisierung setzt. Zunächst zurückhaltend, recht bald jedoch dergestalt, dass er etwas auslösen sollte, was als Prager Frühling Weltgeschichte schrieb. Die Liberalisierung mit ihrer Aufhebung der Zensur ermöglichte eine freie Presse, die alle neuen Freiheiten zunehmend in Kritik und Anklage der UdSSR investierte – was in Moskau dazu führte, dass man in der Tschechoslowakei den Beginn einer Konterrevolution vermutete. Schon am 22. März hat sich Dub?ek in Dresden den Vorwürfen des Warschauer Pakts zu stellen. Und während etwa in Polen die Studenten Dub?ek und den Prager Frühling abfeiern, lotet Dub?ek die Möglichkeiten größerer Presse-, Kunst- und Reisefreiheiten aus und schätzt die Entschlossenheit der UdSSR falsch ein. Am 8. April versammeln sich sowjetische Militäreinheiten in Ungarn, wobei eine Okkupation der Tschechoslowakei den meisten Ungarn unwahrscheinlich erscheint. Am 8. Mai kommt es erneut zu einer Tagung des Warschauer Pakts, an der die Tschechoslowakei diesmal keinen Anteil mehr hat: militärische Manöver in der Tschechoslowakei werden ins Auge gefasst; sie sollen Drohgebärde sein und zugleich die Möglichkeiten einer eventuellen Invasion besser einschätzen lassen.

Bevor die Lage Dub?ek also völlig entgleitet – als Ludvík Vaculík am 27. Juni sein provokantes Manifest der Zweitausend Wörter veröffentlicht – und ehe die UdSSR am 20. August zur Besetzung der Tschechoslowakei (in der Nacht zum 21. August) bläst, zeichnet sich schon im Mai das drohende Unheil ab. Das beginnt mit Truppenbewegungen in Polen und der Ukraine im frühen Mai, zieht sich über die gedehnte, fünftägige Präsenz einer sowjetischen Militärdelegation in der Tschechoslowakei und findet seinen Höhepunkt in der Übung Å umava, die sich vom 30. Mai bis zum 3. August zieht, wobei sich die eigentliche Militärübung bloß vom 20. bis zum 30. Juni erstreckt, derweil man sich über den Zeitpunkt eines Abzugs in Schweigen hüllt. Hier zeichnet sich – zumindest im Rückblick – der Beginn einer folgenschweren Eskalation ab… welche auch für die tschechoslowakische Filmlandschaft nicht folgenlos blieb, unterlag doch die Meinungs- und Kunstfreiheit nach gewaltsamer Beendigung des Prager Frühlings wieder strengeren, engeren Grenzen, die weniger offensichtlich unterlaufen werden konnten.

Einer der Filmemacher, der für diesen Einschnitt einsteht, ist der slowakische Filmemacher Eduard Grecner, der an der FAMU in Prag studierte und zu den neuen Gesichtern der tschechoslowakischen neuen Welle zählte, die sich ab 1964 mehr und mehr Bahn brach, derweil sich ein Novotný immer mehr mit Schwierigkeiten konfrontiert sah. Ab 1961 war er Regieassistent für Stefan Uher, etwa beim Film “Slnko v sieti” (1962) – der gut greifbar bei Second Run auf DVD vorliegt. Ab 1964 arbeitete er dann als Regisseur und dreht “Kazdy tyzden sedem dní” (1964), “Nylonovy mesiac” (1966) und eben den noch 1967 begonnenen “Drak sa vracia” (1968), der für ein Vierteljahrhundert sein letzter Film bleiben sollte und am 10. Mai 1968 uraufgeführt worden ist. (Erst mit der D.H. Lawrence-Verfilmung “Pozemsky nepokoj” (1993) kehrte er wieder zurück und tritt seitdem bis ins Jahr 2018 immer wieder einmal als Zeitzeuge in diversen Dokus und Porträtfilmen auf. In der Zwischenzeit kümmerte er sich für das Fernsehen um Synchronisationen und lieferte zwei – möglicherweise unfertige – TV-Kurzfilme ab.) Der Grund lag in Grecners Forderung eines passiven Widerstandes angesichts der politischen Entwicklung nach dem August 1968. Anfang der 70er war es für ihn schließlich nicht mehr möglich, Fuß zu fassen. Damit teilte er das Schicksal einiger anderer Kollegen, darunter der ebenfalls slowakische Peter Solan (dessen “Boxer a smrt” (1963) gerade erst bei Bildstörung veröffentlicht worden ist).
Die Filmmusik für “Drak sa vracia”, der gemeinhin als Grecners bester Film gilt, schrieb Ilja Zeljenka, der auch die Musik für Uhers “Slnko v sieti” komponiert hatte, welcher vielen als Vorläufer oder gar Erstling der tschechoslowakischen neuen Welle gilt. Stilistisch hebt sich “Drak sa vracia” von diesem Umfeld jedoch in Teilen auf ähnliche Weise ab wie die Historienepen von Frantisek Vlacil: Statt Beschwingtheit, Tempo, Frechheit, Witz und moderner Eindrücke überwiegen auch hier Schwere und archaische Motive, wobei aber wie bei Vlacil die Inszenierung immer wieder avantgardistische Züge auf- und den Film als Kind seiner Zeit ausweist; manchmal bleibt die Kamera statisch und betont die strenge, minimalitistische Komposition der Bilder mit geometrischen Strukturen oder monotonen Flächen, über welche sich ein gesichtsloses Geflüster & Geraune legt, etwas seltener gerät die Kamera in einen rasanten, mitreißenden Taumel (über den sich bisweilen Musik oder Stille recht dominant legen). Dabei hat Zeljenkas Musik am avantgardistischen Touch des Films einen großen Anteil. Die Erzählweise dieses auf einer Vorlage von Dobroslav Chrobak basierenden Streifens präsentiert sich zudem immer wieder als abstrakt und distanzierend, um die parabelhaften Züge des Films stärker zur Geltung zu bringen, während dann wieder sehr konkrete Szenen großer emotionaler Intensität einsetzen. Die Geschichte eines Vertriebenen, der wieder in sein Heimatdorf in der Tatra zurückkehrt, um sein altes Leben aufzunehmen, und mit Argwöhn aufgenommen wird, vermengt Folklore, Mythos, Western, Avantgarde und Surrealismus, lässt Nouvelle Vague-Einflüsse à la Truffaut ebenso erahnen wie Einflüsse des komplexen Gedächtnis-Kinos von Alain Resnais (der in der Nouvelle Vague vielleicht eine ähnliche Außenseiterrolle einnimmt wie Grecner in der tschechoslowakischen neuen Welle… und dessen “L’année dernière à Marienbad” (1961) – bei aller Unterschiedlichkeit der Filme – hier recht offensichtlich nachwirkt).

Dass eine erste Drehbuchfassung des Films in den späten 50er Jahren noch auf Ablehnung stieß, mag unterstreichen, dass dieses eigenwillige Werk über das Verhältnis von Kollektiv und Individuum erst im Prager Frühling zwischen thematisch ähnlich gelagerten Werken wie “O slavnosti a hostech” (1966) den idealen Nährboden finden konnte.
Bei Second Run liegt Grecners Werk – wie so viele andere Titel, die hier erwähnt worden sind – auf DVD vor: Fassungseintrag von PierrotLeFou



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