Während 1968 in Frankreich der Pariser Mai tobte und eine ganze Bewegung mit Optimismus erfüllte, zeichnete sich in der Tschechoslowakei hingegen der Anfang des bitteren Endes des Prager Frühlings ab. Erst hatten Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle AntonÃn Novotný, dem Generalsekretär der KP, zu schaffen gemacht, dann die Slowaken: Am 5. Januar 1968 muss er zurücktreten und Alexander Dub?ek Platz machen, der ganz anders als Novotný auf Reformen und Liberalisierung setzt. Zunächst zurückhaltend, recht bald jedoch dergestalt, dass er etwas auslösen sollte, was als Prager Frühling Weltgeschichte schrieb. Die Liberalisierung mit ihrer Aufhebung der Zensur ermöglichte eine freie Presse, die alle neuen Freiheiten zunehmend in Kritik und Anklage der UdSSR investierte – was in Moskau dazu führte, dass man in der Tschechoslowakei den Beginn einer Konterrevolution vermutete. Schon am 22. März hat sich Dub?ek in Dresden den Vorwürfen des Warschauer Pakts zu stellen. Und während etwa in Polen die Studenten Dub?ek und den Prager Frühling abfeiern, lotet Dub?ek die Möglichkeiten größerer Presse-, Kunst- und Reisefreiheiten aus und schätzt die Entschlossenheit der UdSSR falsch ein. Am 8. April versammeln sich sowjetische Militäreinheiten in Ungarn, wobei eine Okkupation der Tschechoslowakei den meisten Ungarn unwahrscheinlich erscheint. Am 8. Mai kommt es erneut zu einer Tagung des Warschauer Pakts, an der die Tschechoslowakei diesmal keinen Anteil mehr hat: militärische Manöver in der Tschechoslowakei werden ins Auge gefasst; sie sollen Drohgebärde sein und zugleich die Möglichkeiten einer eventuellen Invasion besser einschätzen lassen.
Bevor die Lage Dub?ek also völlig entgleitet – als LudvÃk VaculÃk am 27. Juni sein provokantes Manifest der Zweitausend Wörter veröffentlicht – und ehe die UdSSR am 20. August zur Besetzung der Tschechoslowakei (in der Nacht zum 21. August) bläst, zeichnet sich schon im Mai das drohende Unheil ab. Das beginnt mit Truppenbewegungen in Polen und der Ukraine im frühen Mai, zieht sich über die gedehnte, fünftägige Präsenz einer sowjetischen Militärdelegation in der Tschechoslowakei und findet seinen Höhepunkt in der Übung Å umava, die sich vom 30. Mai bis zum 3. August zieht, wobei sich die eigentliche Militärübung bloß vom 20. bis zum 30. Juni erstreckt, derweil man sich über den Zeitpunkt eines Abzugs in Schweigen hüllt. Hier zeichnet sich – zumindest im Rückblick – der Beginn einer folgenschweren Eskalation ab… welche auch für die tschechoslowakische Filmlandschaft nicht folgenlos blieb, unterlag doch die Meinungs- und Kunstfreiheit nach gewaltsamer Beendigung des Prager Frühlings wieder strengeren, engeren Grenzen, die weniger offensichtlich unterlaufen werden konnten.
Dass eine erste Drehbuchfassung des Films in den späten 50er Jahren noch auf Ablehnung stieß, mag unterstreichen, dass dieses eigenwillige Werk über das Verhältnis von Kollektiv und Individuum erst im Prager Frühling zwischen thematisch ähnlich gelagerten Werken wie “O slavnosti a hostech” (1966) den idealen Nährboden finden konnte.
Bei Second Run liegt Grecners Werk – wie so viele andere Titel, die hier erwähnt worden sind – auf DVD vor: Fassungseintrag von PierrotLeFou
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