Fényes szelek (1969)
Als “FĂ©nyes szelek” am 6. Februar 1969 herauskam, war MiklĂłs JancsĂł 47 Jahre alt. Rund zwanzig Jahre hatte er bereits auf dem Regiestuhl gesessen, den groĂźen internationalen Erfolg jedoch erst mit “SzegĂ©nylegĂ©nyek” (1965) erreicht. Diesen Film mit seiner zwingenden Formstrenge, in der sich die Grausamkeit der Geschichte ausbreitet, baute er mit “Csillagosok, katonák” (1967) und “Csend Ă©s kiáltás” (1967) zu einer losen Trilogie aus. Mit dem folgenden Langspielfilm “FĂ©nyes szelek” blieb er sich dann einerseits treu und erfand sich andererseits neu: Wieder gibt es ausufernde, formstrenge Plansequenzen, diesmal jedoch in Farbe, meist wesentlich komplexer und länger ausfallend, textlastiger und zudem angefĂĽllt mit Gesang und Tanz – in “MĂ©g kĂ©r a nĂ©p” (1972) sollte JancsĂł, der nun zunehmend auch in Italien drehte, diese Ă„sthetik bald auf die Spitze treiben. “FĂ©nyes szelek” entstand unter dem Eindruck der 1968er-Bewegung, die er bereits in dem kurzen Dokumentarfilm “Vörös május” (1968) festgehalten haben dĂĽrfte. Angesiedelt ist der Film allerdings gut 20 Jahre zuvor. Es ist sinnig, sich vor der Sichtung zu vergegenwärtigen, dass die bereits 1944 gegrĂĽndete katholische KDNP in Ungarn von Anfang an groĂźer Skepsis ausgesetzt und von kommunistischer Seite aus als reaktionär verworfen worden war. Nach den Parlamentswahlen im November 1945 wandelte sich diese Skepsis allmählich in Verleumdungen: katholischen Geistlichen und Schulen wurden Flugblätter, umstĂĽrzlerische Absichten, Gewalttaten usw. zur Last gelegt und im kommunistischen Kampf gegen Reaktionäre kam es 1946 bereits zu ersten Verhaftungen, Folterungen und Schauprozessen. Waren die katholischen Schulen 1946 bereits als undemokratisch und antisowjetisch verdammt worden, wurde 1947 dann systematisch eine Abschaffung des Religionsunterrichts und eine EinfĂĽhrung einheitlicher SchulbĂĽcher angestrebt. In diesem Klima ist also “FĂ©nyes szelek” angesiedelt, der kommunistische Studenten in einen Dialog mit katholischen SchĂĽlern treten lässt; freilich um diese zu bekehren. Zunächst auf den Diskurs setzend, dann auf Gewalt setzend… Es entwickelt sich eine Diskussion ĂĽber Freiheit und Repression, ĂĽber Recht und Gesetz, stets unterbrochen von musikalischen Parolen, zurĂĽckweisend auf den Nationalsozialismus, dessen repressive Mittel einige kommunistische Studenten hier beinahe aufgreifen, derweil sie in den politischen Gegnern Faschisten sehen. Dass die Kommunisten von 1947 aussehen und agieren wie die Studenten der 68er-Bewegung, die – wenn man bloĂź auf die Tschechen und den Prager FrĂĽhling blickte – auch die Sowjetunion mit ihrer Kritik bedachten, ist ein wundervoller Kniff des Films: Indem er die Studenten – aus denen er trotz aller Tänze keine homogene Masse macht – einmal mit den Nationalsozialisten assoziiert und einmal mit den 68ern, verunglimpft der Film keinesfalls die Letztgenannten, sondern sorgt dafĂĽr, dass sich die Kritik an den Kommunisten von 1947 auch auf die Kommunisten von 1968/69 bezieht, indem er den 68ern jene Berechtigung zuweist, welche sich die Kommunisten zugeschrieben hatten (und zuschrieben). Recht direkt kritisiert JancsĂł den ungarischen Kommunismus der späten 40er Jahren, indem er einige seiner Vertreter(innen) fĂĽr einen kurzen Moment in die Nähe der Nationalsozialisten rĂĽckt, die man schnell als solche erkennt und aufgibt; recht verschleiert kritisiert er den gegenwärtigen Kommunismus, indem er die politisierten Studenten der 40er Jahre den 68ern gleichen lässt… und reaktionär erscheint nunmehr ein Kommunismus ohne menschliches Antlitz. Wurde “FĂ©nyes szelek” fĂĽr seine manierierte formale Eleganz sowohl bewundert als auch geächtet, so ist er doch weit mehr als bloĂź ein ästhetizistisches BravourstĂĽck. Bei Second Run liegt der Film englisch untertitelt auf DVD vor, ausgestattet mit einem lesenswerten Booklet, dass JancsĂłs Schaffen ĂĽber die Jahrzehnte prägnat vermittelt: Fassungseintrag von PierrotLeFou
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