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Vor 50 Jahren: Norman Jewisons ernsthaftes Musical über eine verlorene Welt

Freitag, 01. Oktober 2021 - 09:38 | Anniversary-Ecke | Stichwörter: 1970er, Alechem, Bock, Drama, Jewison, Jubiläum, Klassiker, Musical, Spielfilm, Stein, Topol, USA, Williams
Von ratz

Fiddler on the Roof (1971)

Die 1960er Jahre waren sowohl die Ära der großen Musical-Filmerfolge („My Fair Lady“, 1964, „The Sound of Music“, 1965) als auch der großen Musical-Filmflops („Doctor Dolittle“, 1967, „Hello Dolly!“, 1969). Das Publikum schien der immer spektakulärer werdenden, aber dennoch konventionellen Leinwandadaptionen überdrüssig, und so war es – trotz des überragenden Erfolges des Broadway-Musicals „Fiddler on the Roof“ – ein Wagnis für das Studio United Artists, die für damalige Verhältnisse üppige Summe von fast zehn Millionen Dollar in eine Verfilmung zu investieren. Die Rechnung ging jedoch auf, denn der Regisseur Norman Jewison drehte mit „Anatevka“ (so der in Europa bekanntere Name des Musicals und des Films) nicht nur einen grandiosen Kassenerfolg, sondern auch ein außergewöhnliches Musical, das ganz anders ist als die sonst übliche Verbindung aus Gesang, Tanz und Glamour auf Zelluloid.

„Fiddler on the Roof“ wurde am 21. Oktober 1971 uraufgeführt und erweckt mit großem Aufwand und äußerst akribisch eine Welt zum Leben, die spätestens mit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöscht worden war: die osteuropäische jüdische Siedlung, auch Schtetl genannt. Dafür verzichtete Jewison auf die sonst musicaltypische Künstlichkeit der Kulissen und glamouröse Elemente, sondern stellt das einfache, gottesfürchtige Leben fast dokumentarisch und in erdigen Farbtönen dar. Der Plot basiert auf der Geschichtensammlung „Tewje, der Milchmann“ (1916) von Scholem Alechem über das einfache Leben im ostjüdischen Schtetl im zaristischen Rußland (heute Ukraine). Joseph Steins kluge Adaption, zunächst für ein Bühnenmusical, handelt vordergründig von Tevyes Hadern mit der Tatsache, daß seine Töchter den Brauch der arrangierten Ehen unterwandern. Grundsätzlich wird damit aber der Verlust der (ostjüdischen) Traditionen im Zuge der sich wandelnden Welt thematisiert – Tevye als Traditionalist hat zwar Angst vor dieser Veränderung, kann sich ihr aber nicht entgegenstellen. Der Familienvater wendet sich mit seinen halb ernsten, halb augenzwinkernden Monologen abwechselnd direkt an die Kamera (bzw. ans Publikum) und nach oben, an seinen Gott (Bühnenstar Topol war in dieser Rolle bis 2009 auf den Bühnen zu sehen). Das Drehbuch führt das Überwinden nicht mehr zeitgemäßer Sitten mit den zunehmenden Pogromen und schließlich der Vertreibung der Juden zusammen, und so wird „Fiddler on the Roof“ zum Zeugnis des Verlustes eines ganzen Kulturraumes und seiner Repräsentanten. Da die folgende Diaspora viele aschkenasische Juden in die Ballungsräume der USA führte, gab es durchaus schon amerikanische Verfilmungen des Stoffes (z.B. von 1939 in jiddischer Sprache), aber so detailliert wie nie zuvor (und danach) zeigt Jewisons Film das zerstörte alteuropäische Judentum in einer Mainstream-Hollywoodproduktion. Folgerichtig wurde „Fiddler on the Roof“ mit Golden Globes und Oscars bedacht, eine der Trophäen ging an John Williams für die Adaption der Musik von Jerry Bock, die sich am Klezmer-Idiom orientiert.

Daß sich „Fiddler on the Roof“ bzw. das Dorf Anatevka als wichtiger Erinnerungsort des modernen jüdischen Selbstverständnisses etabliert hat, beweisen nicht nur die vielen seit den 1970er Jahren wiederkehrenden Broadway-Revivals, sondern auch die 2020 erfolgte Ankündigung, daß von MGM eine Neuverfilmung in der Vorbereitung ist. Von Norman Jewisons Klassiker ist eine DVD-Ausgabe (Fassungseintrag) günstig auf dem Gebrauchtmarkt zu haben, die bei uns vergriffene Blu-ray ist in Großbritannien mit deutscher Tonspur erhältlich (Fassungseintrag).



Kommentare und Diskussionen


1 Kommentar zu „Vor 50 Jahren: Norman Jewisons ernsthaftes Musical über eine verlorene Welt“

  1. PierrotLeFou sagt:
    1. Oktober 2021 um 23:37

    Ratz’ Beitrag, passend zum heutigen Weltmusiktag… ;) Am Tag der deutschen Einheit wird es dann wieder mit einem Bonustitel weitergehen… Bis dahin: allen ein ruhiges Wochenende…


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