"Die Einen sagen, ihr habt verloren, die Anderen, ihr habt gewonnen?"
Die von der jungen Griechin Elenitza (Anna Karina) spöttisch an den italienischen Offizier Tenente Gaetano Martino (Tomas Milian) gerichtete Frage bleibt ohne Antwort, führt aber mitten in ein Kapitel des 2.Weltkriegs, das dessen Irrsinn plakativ offenbart. Diktator Benito Mussolini hatte entgegen dem Wunsch seines Verbündeten Adolf Hitler im Frühjahr 1941 von Albanien aus Griechenland angegriffen, wurde von der griechischen Armee aber innerhalb weniger Tage wieder hinter die Ausgangslinie zurückgedrängt. Anders als geplant sah sich die deutsche Heeresleitung deshalb gezwungen, Griechenland (und parallel Jugoslawien) anzugreifen, um Italien zu Hilfe zu kommen. Mit dem Ergebnis, dass das Land nicht nur von deutschen Soldaten okkupiert wurde, sondern auch von italienischen, die erneut in das Geschehen eingriffen, nachdem sich die Situation zu ihren Gunsten gewendet hatte. Der Makel eines Siegers zweiter Klasse blieb haften. Darauf ging Regisseur Zurlini zwar nicht näher ein, aber das selbstherrliche Verhalten der Armee gegenüber der einheimischen Bevölkerung lässt sich in „Le soldatesse“ nicht losgelöst davon betrachten.
Die Handlung setzt ein Jahr später ein, als in Griechenland in Folge der Besatzung eine verheerende Hungersnot herrscht. Tenente Martinos Stimme erklingt aus dem Off und beschreibt Athen als einen Ort, in dem das Sterben alltäglich geworden ist. Sein Wunsch, von hier verlegt zu werden, erfüllt sich schneller als erwartet. Doch der Auftrag, der ihn zurück nach Albanien führen soll, steigert noch die Absurdität einer Situation, deren Konsequenzen Ugo Pirro in seiner Drehbuch-Vorlage auf die private Ebene verlagerte – auf die Beziehung von Mann und Frau. Gemeinsam mit Sergente Castagnoli (Mario Adorf), der ihm als Fahrer zugewiesen wird, soll Martino mit einem LKW zwölf Prostituierte auf mehrere Stützpunkte der italienischen Armee verteilen, wo sie Mannschaft und Offizieren im Bordell zur Verfügung stehen sollen.
Außer der gebürtigen Italienerin Ebe (Valeria Moriconi), die seit ihrem 14. Lebensjahr auf den Strich geht, ging keine der zwölf Frauen vor Kriegsausbruch der Prostitution nach. Erst der Hunger trieb die jungen Griechinnen dazu, ihre Körper zu verkaufen. Ihnen gegenüber stehen Männer, die nicht nur Mitschuld an ihrer Situation tragen, sondern als Sieger ganz selbstverständlich ihre Dienste in Anspruch nehmen. Eine Erniedrigung der einheimischen Bevölkerung, die den Hass der Partisanengruppen noch zusätzlich schürt und Martinos Tour mit dem Lastwagen durch die schwer einsehbare Hügellandschaft zu einem Himmelfahrtskommando werden lässt. In dieser Zuspitzung erinnert „Le soldatesse“ an „Le salaire de la peur“ (Lohn der Angst, 1953), aber Regisseur Zurlini forcierte nicht die offensichtliche Dramatik – auch hinsichtlich der Action-Einlagen blieb er zurückhaltend – sondern konzentrierte sich auf das Verhältnis der Protagonisten untereinander und schlug so den Bogen in die Gegenwart des Jahres 1965.
In seiner kräftigen Schwarz-Weiß-Optik, den Bildern von Zerstörung des Krieges und dem Leid der Bevölkerung, zitierte Zurlini den Neorealismus der 40er Jahre. Dagegen scheinen die schönen jungen Frauen, die als Bezahlung eine Essensration bekommen, mit ihren toupierten Frisuren und den langen künstlichen Wimpern direkt aus den 60er Jahren zu stammen. Anna Karina („Une femme est une femme“ (Eine Frau ist eine Frau, 1960), Lea Massari („L’avventura“ (Die mit der Liebe spielen, 1960)) und Marie Laforêt („Chasse à l'homme“ (Jagd auf Männer, 1964)) gehörten zur selbstbewussten Riege junger Darstellerinnen im aufkommenden Avantgarde-Kino der 60er Jahre und diese Attitüde sollten sie auch in Zurlinis Film nicht ablegen. Anna Karina gab die kecke Blondine, die sofort mit Martinos Befehlshaber (Guido Alberti) flirtet, Lea Massari als Toula erträgt die Situation mit fatalistischer Geduld und die intellektuelle Eftikia (Marie Laforêt) verweigert sich in offen gezeigter Ablehnung.
Ihnen gegenüber stehen drei exemplarische Männer-Typen. Mario Adorf spielte einen so rustikalen, wie sympathischen Unteroffizier, der sich mit den Mädels seinen Spaß macht und sich bald mit der nicht weniger pragmatischen Ebe anfreundet. Tomas Milian als junger Offizier, der sich einst freiwillig zum Kriegseinsatz gemeldet hatte, ist mit seinem Anstand und seiner Ernsthaftigkeit ein Kontrapunkt innerhalb des Militärs. Er behandelt die Frauen nicht nur mit Respekt, sondern ist angewidert von der Übergriffigkeit seiner Geschlechtsgenossen. Elenitza verliebt sich in ihn und verbringt eine gemeinsame Nacht mit ihm, aber sie spürt, dass sein Herz der spröden Eftikia gehört. Die reflexive Figur des Tenente Martino lässt sich nur schwer in den 40er Jahren verorten, sondern repräsentierte die kritische Haltung des Regisseurs und seiner Autoren Mitte der 60er Jahre. Dagegen erscheint Major Alessi (Aleksandar Gavric), ein Offizier der faschistischen Miliz (MVSN), der an einem Kontrollpunkt als dritter männlicher Protagonist dazu stößt, in seinem charakteristischen „Schwarzhemd“ prototypisch für diese Phase.
Doch Zurlini war weniger an dessen politischer Haltung interessiert, als an dessen männlicher Überheblichkeit. Der eitle Alessi agiert geradezu lässig - als wäre alles ein großes Abenteuer - und lässt sich in einer Pause auch nicht die Gelegenheit entgehen, mit Toula ins Gebüsch zu steigen. Sehr zum Ärger von Martino, der den inneren Widerwillen der jungen Frau spürte. Auffällig ist, wie häufig Mussolinis Waffengarde im italienischen Film bis zur Lächerlichkeit karikiert wurde. In Filmen wie „Amore di mezzo secolo“ (3. Episode, 1954) oder Dino Risis Komödie über den „Marsch nach Rom“ („La marcia su Roma“, 1962) wurden die „Schwarzhemden“ als vergnügungssüchtige Nutznießer ihrer Machtposition überzeichnet. „Le soldatesse“ demonstrierte dieses Verhalten in einer Szene, in der ein LKW voller johlender Milizen über die Landstraße fährt, die sofort mehrere Mädchen von Martino einfordern. Gezwungenermaßen überlässt er ihnen eine noch sehr junge Frau, die von den Männern freudestrahlend auf der Ladefläche in Empfang genommen wird. Am nächsten Tag sind sie alle tot. Erschossen von Partisanen, in deren Hinterhalt sie geraten sind.
Eine Szene, die signifikant für den Paradigmen-Wechsel in „Le soldatesse“ steht. Trotz seines realistischen Szenarios wird Zurlinis Film in seinen ersten zwei Dritteln durch die Konfrontation sexuell ausgehungerter junger Männer mit den hübschen Frauen geprägt. Wenn Martino mit seinem LKW an Kontrollpunkten und Stützpunkten auftaucht, treten die Kriegswirren in den Hintergrund. Den Höhepunkt dieser Phase erreicht der Film, als sie auf ihrer Fahrt einen zurückgelassenen Zugwaggon entdecken, der ihnen eine Nacht mit Bett und sanitären Annehmlichkeiten bietet. Frisch rasiert und geschminkt kommen sich Männer und Frauen näher – ein Zustand der Normalität, der auch den Betrachter die lebensgefährliche Situation einen Moment lang vergessen lässt. Und damit die Schockwirkung vergrößert, als plötzlich Gewalt und Tod über die Beteiligten hereinbrechen.
Vordergründig erscheint „Le soldatesse“ widersprüchlich. Szenen von Menschen in größter Not treffen auf Feierlaune, Kriegsgefahr stößt auf Amüsement, der Suche nach schneller Befriedigung steht Martinos sensibles Zugehen auf die Griechin Eftikia gegenüber. Welche Intention verfolgte der Film? – Für eine Komödie oder Persiflage ist er zu ernsthaft, für eine Anklage an Krieg und Faschismus wirkt er zu leicht und als Plädoyer für Völkerverständigung zu privat. Schon der Filmtitel irritiert. Von weiblichen Soldaten ist hier nichts zu sehen. Die Prostituierten wollen nur überleben. Zurlini kam dem allgemeinen Irrsinn damit ganz nah, denn an den charakterlichen Schattierungen jedes Einzelnen wird deutlich, dass hier Jeder zum Opfer wird – unabhängig davon, ob er auf der Seite der Besiegten oder der Sieger steht. Für Zurlini ein Fakt, aber kein Grund zum Fatalismus. Seine Protagonistinnen – als Prostituierte auf der untersten sozialen Hierarchie-Ebene angekommen – lassen sich nicht unterkriegen und machen dem Filmtitel damit alle Ehre. (9/10)