Es ist die altbekannte, immer wieder abendfüllende Story. Ein Mann ohne Vergangenheit lebt eigenbrötlerisch in seinen beschaulichen vier Wänden und fristet ein wenig aufsehenerregendes Dasein zwischen Einsamkeit, Billigkaffee und Spaziergängen. Doch dann tritt ein Ereignis ein, das Risse in die biedere Fassade aus Alltäglichem und Austauschbarem rüttelt. Der Putz fällt von der einen auf die nächste Sekunde ab und schon steht da wieder das lange verschüttete Ich aus alten Agenten-Spezialkräfte-Captain-America-Tagen. Bereit, einem in Not geratenen lieben Mitmenschen die nun dringend benötigten Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen, für die Papa Staat einst viel Geld geblecht hat. Und im Falle des Protagonisten Robert McCall (Denzel Washington) dürfte das das jährliche Bruttosozialprodukt eines mittelgroßen südamerikanischen Landes gewesen sein.
Doch bevor eine menschliche Atombombe explodiert, braucht es immer erst jemanden, der so blöde ist und das Ding scharf macht. Und diesen undankbaren Part übernimmt beim neuesten Action-Highlight Antoine Fuquas („Shooter" 2007, „Olympus Has Fallen", 2013) die an der Ostküste der USA ansässige Russenmafia. Die lässt es sich nämlich nicht nehmen, die für sie arbeiteten Prostituierten schlagkräftig zur Mehrarbeit zu bewegen oder hier und da mal einen Hals umzudrehen. Auch die kleine Teri aus der Donut-Bar (die aus „Kick-Ass" bekannte Chloe Grace Moretz), an der McCall offenbar einen Narren gefressen hat, gehört zu den Unglücklichen. Nach anfänglichen Ohrfeigen, die Robert, der das Ganze beobachtet, noch ganz gut wegsteckt, gehen die tätowierten Ostblock-Jungs bald daran, Tabula rasa mit dem Äußeren des widerborstigen Mädels zu machen. Doch drücken die Finsterlinge damit einen Knopf, von dem sie besser die Finger gelassen hätten. Den zur Aktivierung des Equalizers, der fortan die Dinge wieder beherzt zurechtrückt in den Straßenschluchten der sündigen Großstadt. Dazu benutzt er genreüblich Schnellfeuerwaffen, aber auch - da er als Tarnidentität praktischer Weise im Baumarkt Brötchen verdient - sichtlich vergnügt Messer, Hämmer, Stacheldraht, Korkenzieher, Nagelschussapparate, Bohrmaschinen und Mikrowellen.
Robert McCall wird, ganz wie in seligen Actionzeiten (oder wie in „Shooter"), als Ein-Mann-Armee in Szene gesetzt. Der überglückliche Kinogänger, der diesen Segen an Genrebeitrag nicht im Lichtspielhaus verpasst hat, wohnt einem wahren Feuerwerk an völlig realitätsflüchtigem Rachefeldzug bei, der nur damit enden kann, dass alle Todeswürdigen auch wirklich bald maustot sind. Die überhaupt nicht ambivalent angelegten Charaktere der Schurken wirken hier wie aufgezogene Puppen, die Lemmingen gleich auf den Abgrund zustürmen, der sich in Form des omnipotenten McCall da vor ihnen auftut. Und im Falle von „The Equalizer" ist das keine neunmalkluge Krittelei am Film, sondern ein echtes Prädikat des Genrekinos. Weder wird sich hier in schwülstigem Pathos gewälzt noch in manieristischer Dramatik ergangen. Es wird weder politisiert noch schwermütig Trübsal geblasen. Hier wird Action für Actionfans inszeniert, wie man sie lieb hat. Ohne Schnörkel und ohne Kompromisse.
Der Freudentränen heulende Krachfilmfreund wird mit brachialer Kost und ausgefeilten Dialogen verwöhnt, die einem Film für erwachsene Erwachsene eigentlich immer besser stehen als künstliche Computer-Kulissen. Wenn Denzel Washington seine Gegner, bevor er sie mit der Waffe seiner Wahl zur Strecke bringt, eigentlich schon vorher mit seinem schockgefrierenden Mienenspiel killt, dann fällt es wie Schuppen von den Augen, dass es auch einem anspruchsvollen, universell einsetzbaren Mimen wie dem Star aus „Training Day" gut zu Gesicht steht, einer geradlinigen Produktion seinen Stempel aufzudrücken und nicht dauernd mit einem Auge ins Feuilleton und mit dem anderen zur Academy zu schielen. Und so übertrifft Fuqua seinen vorjährigen Volltreffer ins Weiße Haus qualitativ noch einmal. Weniger CGI, dafür mehr Handwerk. Weniger Kitsch, dafür mehr Schauspielkunst.
Da „The Equalizer" mit einem vortrefflichen Soundtrack bestückt ist, der den gesamten Film geschmackvoll begleitet und dessen Lack zum Glück erst im Abspann mit nervtötendem Hip Hop zerkratzt wird, serviert der afroamerikanische Regisseur diesmal einen wirklich rundum gelungenen Leckerbissen, der zwar minimalistischer als seine Vorgänger, aber wesentlich intensiver inszeniert wurde. Nichts gegen den sympathischen Mark Wahlberg oder den patenten Gerald Butler. Aber im Vergleich zu einem Magier der Unterhaltung wie Washington können die beiden nicht bestehen. Zugegeben, das müssen sie ja auch nicht.
Bleibt ein weiteres Highlight des Films zu loben. Den Gegenspieler. Der Neuseeländer Marton Csokas gibt dem aus Russland geschickten Killer nicht nur ein mit jedem weiteren Blick unheimlicheres Gesicht, sondern verleiht den Szenen, die er trägt, fernab jeder eintönigen Muskelschau, eindringliches Thriller-Feeling. Davon ist bei den meisten Konkurrenzprodukten meist weit und breit nichts zu spüren. Dass es Denzel Washington gelingt, ohne die düstere Ausstrahlung seines Gegners auch nur im Mindesten zu überblenden, seine eigene messerscharfe Gefährlichkeit zu einem Profil zu entwickeln, das beinahe noch bedrohlicher wirkt, spricht Klartext über das Potential des Regisseurs und seines Stars und lässt den Filmfreund schlussendlich begeistert im Kinosessel zurück.
Antoine Fuquas neuer Reißer funktioniert von der ersten bis zur letzten Minute. Dabei gewinnt er über die gesamte Filmlänge kontinuierlich an Drive. Zwar wird eingangs etwas auf die Bremse getreten, um den schön geschnitzten Figuren und der bald überaus rasanten Story insgesamt mehr Aufmerksamkeit zu widmen, doch gibt es hier keine Schönheitsfehler in Form vorhandener Längen, die pseudoqualitativ zu überpinseln wären. Man rotiert nicht ohne Hintergedanken das Gerücht, „The Equalizer" sei nur der Auftakt zu einer Racheorgie, die womöglich bald sogar international ihre blutige Spur ziehen soll. Sollte das wirklich so kommen, gilt es bald zweimal Weihnachten im Jahr zu feiern. Naja, zumindest für den Actionfan.