2004. Der Irakkrieg ist eigentlich beendet und dennoch kommt es immer wieder zu Aufständen und Gefechten. Als durch Zufall ein Kamera-Team ein Scharmützel der Bravo-Squad aufnimmt, werden der 19-jährige Infanterist Billy Lynn und seine Kameraden als Helden gefeiert und auf eine landesweite Siegestour durch die USA geschickt. Bei der spektakulären Halbzeit-Show eines Football-Spiels am Thanksgiving Day, bei der hinter den Kulissen sogar über eine Verfilmung der heldenhaften Taten verhandelt wird, entlädt sich das ganze Dilemma zwischen Schein und Sein: während die US-typische Feier-Euphorie die Realität des Krieges einfach mal ausblendet, kommen Billy Lynn und seine Kameraden mit der Situation in der Heimat immer weniger klar…
Clint Eastwoods „The Flags Of Our Fathers“ – ein ähnlicher Stoff, nur ein anderer Krieg – war die Blaupause, der nicht minder renommierte Ang Lee hat aus der Grundidee um einen dekorierte „Helden“-Truppe auf Heimat-Jubel-Tour ein unterhaltsam-nachdenkliches Drama gemacht, das in seinem Irrwitz an Robert Aldrichs „Die Chorknaben“ erinnert und ähnliches bewirkt: man hinterfragt plötzlich den Menschen, der in einer Uniform steckt, und denkt darüber nach, was die auferlegten Pflichten aus ihm so machen. Und das aus beiden Filmen letztendlich keine billige Schenkelklopfer-Komödie geworden ist, liegt an der Integrität ihrer Macher. So ist es auch Ang Lee mit „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ gelungen, die Gratwanderung zwischen sublimer Anti-Kriegs-Parole, menschlicher Tragödie und ätzender Kritik am schönen Sein der USA und deren Zynismus auf schnodderig-leichte Weise zu bewältigen. Dass man dabei Billy Lynns tatsächliche Geschichte wie bei einer Zwiebel Schicht um Schicht, weil Rückblende um Rückblende, aufdecken muss, ist schon fast selbstverständlich, denn nur so entlarvt man den bunten Bombast, durch den die „Bravo“-Truppe in ihrer Heimat geschickt wird, als verlockendes Opium fürs Volk (gut, wenn man „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ in der von Ang Lee gewählten High-Frame-Rate und in 3D sieht, vgl. so manche diesbezügliche Kritik im Netz). Die mitunter holzschnittartig erscheinenden offiziellen Standard-Antworten der Soldaten auf die üblichen Fragen nach dem Krieg an sich ergeben zudem einen hübschen Kontrast zu dem zunehmend fragilen Zustand der Truppe, die sich zum Schluss sogar mit ein paar Ordnern des Football-Spiels prügelt (womit sich wieder der Kreis zu „Die Chorknaben“ schließt). Hier traf eindeutig smartes Drehbuch auf smarte Inszenierungskunst. Fazit: Gerade nach Trumps Wahl zum Präsidenten und seinen markigen Worten hält Ang Lee der US-Gesellschaft mit „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ einen durchaus bitter-bösen Spiegel vor. Bildformat: 1,78:1. Mit Joe Alwyn Kristen Stewart, Chris Tucker, Garrett Hedlund, Vin Diesel, Steve Martin u. a.
© Selbstverlag Frank Trebbin