Dem belgischen Meisterdetektiv Hercule Poiret gelingt es, eine Mitfahrgelegenheit im Orient Express, welcher zwischen Istanbul und Wien verkehrt, zu ergatten, denn er muss schnellstens nach London reisen. Die Passagiere an Bord des Zuges sind zumeist Adlige, Diplomaten oder Geschäftsleute – so wie der unangenehme Amerikaner Ratchett, der sich von italienischen Mafiosis verfolgt sieht und Poirot um Hilfe bittet, die dieser ablehnt. Als am nächsten Morgen Ratchett erstochen aufgefunden wird und der Zug mitten im verschneiten Jugoslawien stecken bleibt, ist detektivischer Feinsinn gefragt, denn der Mörder muss noch im Orient Express sein...
Abgesehen von einer sowohl charmanten wie auch selbstverliebten Episode über die detektivischen Fähigkeiten Poirots, die an der Klagemauer Jerusalems zum Einsatz kommen, und einer in Teilen weitaus ausführlicheren Einführung der Zugreisenden erlebt der geneigte Zuschauer bei diesem Remake von Kenneth Branaghs das exakt gleiche Whodunit-Kammerspiel wie bereits 1974. Wenn also inhaltlich (neben dem Umstand, dass die Auflösung fast schon zum Allgemeinwissen einer ganzen Generation von Kinogängern zählt) eher altmodisch und behäbig, so ist doch aber der Rest äußerst modern und so voller üppiger Ausstattungsdetails, dass es sich schon alleine deswegen lohnt, „Mord im Orient in Express“ auch 2017 als das zu genießen, was er dem Grunde nach darstellt: als eine Art leise Leistungsschau Hollywoods. So wird nicht nur nicht nur das Art Department auf Trab gebracht, um einen perfekten Blick in alte Zeiten zu werfen, sondern auch die Abteilung mit den CGI-Gestaltern, die mitunter allzu wohlfeil-konstruierte Illusionen von Wetter, Naturereignissen und Sonnenuntergängen liefern. Der Rest besteht schon wie bei Sidney Lumets klassischer 1970er-Jahre-Verfilmung aus gekonnt geschriebenen Dialogen, einem sehenswerten A-Klasse-Cast und einer Inszenierung, die vom Schnitt und der Montage her unaufgeregter nicht sein könnte – selbst wenn es zwei kleine Actionszenen in den Film geschafft haben, die man als Anbiederung an ein heutiges Publikum in die Detektivgeschichte hineingeschrieben hat. Kenneth Branagh, der sich als Regisseur etwas zurücknimmt und dafür seinem Kameramann-Spezi Haris Zambarloukos mitunter allzu freien Lauf lässt (das opernhaft überhöhte, an da Vincis „Das letzte Abendmahl“ angelehnte Bild der Reisenden kurz vor der Aufdeckung des Täters), präsentiert seinen Poirot als einen gestrengten, kaum selbstironischen, dafür aber mit interessanten Ticks ausgestatten Lackaffen, dem man wünscht, für das zum Schluss angedeutete Detektivspiel auf dem Nil wieder auf der großen Leinwand zu erscheinen. Bildformat: 2,35. Mit Kenneth Branagh, Penélope Cruz, Willem Dafoe, Judi Dench, Michelle Pfeiffer, Daisy Ridley, Johnny Depp u. a.
© Selbstverlag Frank Trebbin