Die 18-jährige Maria hat es nicht leicht. In der Schule wird sie von ihren Mitschülern gemobbt, und auch zu Hause fühlt sie sich von ihren Eltern nicht verstanden. Eines Tages entdeckt sie in ihrem Spiegelbild ihre Zwillingsschwester, die bei ihrer gemeinsamen Geburt gestorben war. Sie kennt all die Geheimnisse, Ängste und Sorgen von Maria und ist zunächst ein guter Ansprechpartner für sie. Nach und nach möchte der Zwilling jedoch die Probleme selbst in die Hand nehmen und die Kontrolle übernehmen. Maria ist einverstanden und so wechseln sie die Seiten. Plötzlich ist Maria gefangen im Spiegel und ihr Gegenstück macht sich auf, sich an all den Menschen in Marias Umgebung zu rächen (Zitat: Inhaltsangabe auf dem Back-Cover von „Look Away“ von Splendid Film).
Zu Zeiten von „Carrie“ war man einfach nur ein Außenseiter an der Schule, wenn man gehänselt wurde, heute heißt das Ganze Mobbing – geändert hat sich allerdings nicht allzu viel. Gleiches gilt auch für das im Highschool-Milieu angesiedelte Motiv der Rache an Gleichaltrigen, die einen schlecht behandelt haben, und so glaubt man (auch schon angesichts des oben zitierten Textes) schnell, dass Assaf Bernsteins „Look Away“ einfach nur eine in den verschneiten kanadischen Vororten der Reichen und Schönen angesiedelte Variation des weithin bekannten Stephen-King-Stoffes ist, zumal hier Marias Vater, ein kaltherziger Schönheitschirurg, der selbst nicht davor zurückschreckt, eigene Familienmitglieder nach seiner fragwürdigen Ethik zu „behandeln“, offenbar den Part von Carrie Whites Mutter übernommen hat und zur eigentlichen Triebfeder des Verhaltens seiner Tochter wird. Doch ganz so einfach lässt sich der trotz des eindeutig aus dem Horrorfilm stammende Kniff des Körpertauschs mit dem Spiegelbild versehene „Look Away“ nicht in diese eine Schublade pressen, denn wenn man den über weite, weite Strecken sehr ruhigen, insgesamt auffallend zurückhaltenden und unblutigen Thriller bis zum Ende aufmerksam wahrnimmt, offenbaren sich da ganz andere Parallelen: Brian De Palmas „Sisters“ und David Cronenbergs „Die Unzertrennlichen“ sind die wahren Eltern des auf psychologischer Ebene durchaus wohlfeilen „Look Away“, der – und das ist die große Überraschung für eine Produktion aus 2018 – die Entfremdung zwischen den Menschen ohne die Hilfskrücke der Verdammung von Internet oder Smartphone zu bebildern weiß. Das macht den ordentlich geskripteten, ordentlich gefilmten und ordentlich gespielten Psychothriller auch jenseits eines typischen Zielpublikums des Horrorfilmgenres interessant. Fazit: „Look Away“ lässt sich verschiedentlich „lesen“ und ist erwachsener als überhaupt vermutet. Sehenswert. Bildformat: 2,39:1. Mit India Eisley, Mira Sorvino, Jason Isaacs, Penelope Mitchell u. a.
Ab 22.02.2019 erhältlich auf Blu-ray und DVD
© Selbstverlag Frank Trebbin