GAMERA No. 03
GAMERA GEGEN GAOS – FRANKENSTEINS KAMPF DER UNGEHEUER
(GAMERA TAI GYAOSU)
Noriaki Yuasa, Japan 1967
Vorsicht – dieses Review enthält SPOILER!
Gamera gegen Gaos – Frankensteins Kampf der Ungeheuer (im Original Gamera tai Gyaosu, der idiotische „Frankenstein“-Anhang bleibt im Folgenden weg – man sollte sich allerdings einmal vor Augen halten, wie hirnrissig er in diesem Fall ist), Gamera gegen Gaos also ist der dritte Gamera-Streifen. Ich habe ihn erst recht spät, sprich vor gut sechs Jahren, zum ersten Mal gesehen und war sehr angenehm überrascht von ihm, da er nicht wie befürchtet als reiner Kinderfilm konzipiert wurde, sondern eher ... aber der Reihe nach.
Japan, wo sonst: Der Fujiyama wird von einer gewaltigen Eruption heimgesucht – mit Folgen, denn durch sie wird „Gamera aus der unterirdischen Tiefe gelockt“, wie ein Off-Sprecher mit drohender Stimme mitteilt, und tatsächlich wühlt sich Gamera irgendwo aus dem Boden und fliegt beziehungsweise kreiselt auf ihre bewährte Weise zum Vulkan, um sich an Wärme und Feuer zu laben (der Sprecher sagt übrigens „er“ – ich beharre jedoch darauf, dass Gamera eine Schildkröte ist und bleibe beim weiblichen Personalpronomen). Sofort macht sich auch eine größere Gruppe von Forschern mit einem riesigen Zwei-Rotoren-Hubschrauber auf den Weg zum Fuji, um idealerweise irgendetwas zu erforschen oder wenigstens der Riesenschildkröte beim Feuerschlucken zuzusehen.
In einem Dörfchen in der Nähe von Nagoya hat man derweil andere Sorgen. Mitten durch den Ort soll nämlich eine Schnellstraße gebaut werden, und der stehen noch die Häuser und Höfe der hier ansässigen Bauern im Weg. Die aber denken gar nicht daran, Land und Anwesen zu verkaufen. Oder besser gesagt: Sie denken nicht daran, Land und Anwesen jetzt zu verkaufen, denn ihr Bürgermeister hat ihnen eingebläut, dass der Preis dafür umso höher wird, je länger sie mit dem Verkauf warten. Shiro Tsutsumi, der zuständige Bauleiter und Vorarbeiter der ausführenden Baufirma, ist ratlos.
Aber zurück zur Forschergruppe, denn dort wird’s spannend: Ihr Hubschrauber fliegt gemütlich über eine weite und wilde Berglandschaft – wir sehen Wälder, Felsen, Seen ... und ein seltsames hellgrünes Licht. Für die Forscher gehört es leider zum Letzten, was sie sehen, denn plötzlich schießt ein gelber Strahl aus der Richtung des Lichts nach oben und zerteilt den Hubschrauber ganz säuberlich in der Mitte! Einige Forscher kullern in die Tiefe, die anderen explodieren mit ihrer jeweiligen Hubschrauberhälfte.
Im Dörfchen in der Nähe von Nagoya spitzt sich derweil die Lage zu. Der „Anti-Autobahn-Verband“, sprich die versammelte Bauernschaft, demonstriert gegen den Schnellstraßenbau und bringt Shiro Tsutsumi in arge Bedrängnis – eine Eskalation kann nur durch das Eingreifen des Bürgermeisters und seiner schon erwachsenen Enkelin Sumiko verhindert werden. Die Bauern sind zufrieden: „Mehr Ärger, mehr Geld“, ist ihre Devise, und getreu derselben wollen sie nun auch noch alle Schnellstraßenbaustellen in der Umgebung zerstören. Das seltsame grüne Licht in der Ferne bei den Felsen, das sehen aber auch sie. Irgendetwas stimmt da nicht.
Das Licht lockt schließlich auch den Fotoreporter Okabe an, der es einmal aus der Nähe betrachten und vor allem knipsen beziehungsweise filmen will. Aber er hat nicht mit dem örtlichen Sicherheitsverantwortlichen gerechnet: Ein dicker (sorry, aber da gibt’s nichts zu beschönigen), ein dicker kleiner Junge also, er mag neun sein, tritt Okabe entgegen und teilt mit, dass er in der gerade betretenen Gegend gewissermaßen der Wächter sei und nicht jeder in ihr herumspazieren dürfe, wie es ihm beliebt. Es ist Eiichi Kanamura, der Enkel des Bürgermeisters und unser zukünftiges nervendes Kind vom Dienst.
Statt dem Jungen kräftig in den Hintern zu treten, lässt sich Okabe auf ein Gespräch mit ihm ein, nach welchem sie gemeinsam zu jener Höhle laufen, aus der das grüne Licht dringt – Eiichi voran, versteht sich. Der Junge stiefelt auch sofort in die Höhle hinein, gefolgt vom ängstlichen Okabe. Als es plötzlich grummelt und die Erde bebt, rennt Okabe sofort hinaus ins Freie, obwohl ihm Eiichi mehrfach zuruft, dass er das nicht tun soll und selbst ganz cool in der Höhle bleibt. Ob der Junge schon mehr weiß als wir oder ob er über prophetische Gaben verfügt, wird unklar bleiben – auf jeden Fall hat er recht, denn für Okabe nimmt der Ausflug ein eher ungünstiges Ende: Kaum im Freien angelangt, erhebt er sich plötzlich in die Luft ... weil er offenbar auf die Hand eines Riesenmonsters gelatscht ist! Und diese Hand (wir sehen sie weiterhin nicht) führt ihn nun zum Maul des Riesenmonsters. Das sehen wir – es gehört zu einem absurden dreieckigen Kopf, und in ihm verschwindet der unglückliche Okabe ...
Dann zeigt sich auch das ganze Monster: Der absurde dreieckige Kopf sitzt auf einem mehr als sechzig Meter hohen fledermausartigen Körper. Wir begrüßen Gaos, unseren zweiten Titelhelden und voraussichtlichen Antagonisten (in seinem Fall will ich „er“ sagen, der Name klingt männlich). Gaos schnappt sich nun, gute Idee, den inzwischen auch aus der Höhle herausgetretenen Eiichi, kommt aber nicht dazu, ihn zu verspeisen, denn hinter dem nächsten Berg rumpelt es – und Gamera taucht auf, um sich mit Gaos den ersten Monsterkampf des Tages zu liefern. Besonders geschickt stellt sich die Schildkröte freilich nicht an: Gaos trifft sie mit einem der gelben Strahlen, die er aus den Maul verschießt, am Arm. Gamera ist verletzt – grünlichgraues Blut tritt aus. Das ist aber scheinbar kein Grund zur Aufregung, denn Gamera denkt gar nicht daran, den Arm aus der Schusslinie zu ziehen, sondern bleibt regungslos stehen und lässt sich noch weitere zehn Mal (echt jetzt!) an der gleichen Stelle von Gaos‘ Strahlen treffen (eigentlich sollte der Arm längst ab sein – immerhin hat ein Strahl für einen ganzen Großraumhubschrauber gereicht). Nach dem elften Treffer rafft sich Gamera doch noch zu einer brauchbaren Bewegung auf und kullert auf Gaos zu. Der verliert Eiichi aus der Hand, als er angerempelt wird, aber die Schildkröte fängt den Jungen auf (darin hat sie ja Übung) und drängt Gaos nun mit ihrem Feuerstrahl in die Defensive. Die Monsterfledermaus zieht sich zurück.
Gamera aber setzt sich Eiichi auf den Rücken beziehungsweise die Mitte des Panzers (mmh ... mit ihren kurzen Armen würde sie da niemals hinkommen – der Arm im Bild sieht übrigens auch sehr seltsam aus) und fliegt mit ihm von dannen, netterweise ohne dabei zu kreiseln, damit ihn die Fliehkraft nicht in die Berge schleudert (Gameras Flugphysik wäre wirklich mal eine nähere Betrachtung wert). Um Eiichi einen halbwegs glaubwürdigen Abstieg von ihrem Panzer zu ermöglichen, landet Gamera schließlich genau neben einem Riesenrad, sodass der gerade eintreffende Shiro in eine Gondel steigen und den Jungen in Empfang nehmen kann, als er die geeignete Höhe erreicht hat. Gamera aber fliegt ihrer Wege – nun darf sie auch wieder kreiseln.
Tags darauf treffen sich Wissenschaftler und Vertreter der Militärführung vor den Augen der Presse in der „Kommandozentrale für Monsternotfälle“ (!!), um das weitere beziehungsweise überhaupt erst einmal irgendein Vorgehen im Fall des neuen Monsters zu beraten, das übrigens von Eiichi (!) auf den Namen „Gaos“ (im Original „Gyaos“) getauft wurde. Man ist sich nicht sicher, ob dieses Wesen ein Reptil oder ein Vogel ist (wie wär’s mit Fledermaus?), hat aber herausgefunden, dass es sich bei seinen Strahlen um Überschallwellen (seit wann sind die gelb?) mit „enormer destruktiver Kraft“ handelt. Weiterhin gilt inzwischen als erwiesen, dass Gaos eine geteilte Wirbelsäule, sprich eine gegabelte Kehlkopfpartie und damit zwei Kehlen besitzt (davon war nichts zu sehen, als er Okabe verschlungen hat – und wir konnten ihm dabei wirklich ganz tief in den Rachen schauen). Wichtig sei das insofern, meint Dr. Aoki, der referierende Wissenschaftler, als dass Gaos seinen Kopf nicht richtig drehen könne und es somit hinter seinem Rücken einen toten Winkel geben würde. Das ist das Stichwort, auf das die Armee nur gewartet hat: Sofort geht’s zum Angriff!
Wie der endet, weiß jeder Filmfreund, der mehr als einen Kaijū Eiga gesehen hat – im konkreten Fall mit vielen fein säuberlich durch gelbe Überschallwellen zerteilten Kampfjets. Herrlich. „Die Luftwaffe ist ratlos“, konstatiert ein Off-Sprecher, und in der Kommandozentrale für Monsternotfälle wird entschieden, dass ganz Mitteljapan (!) evakuiert werden muss. Gamera übrigens, die verletzte Schildkröte, ist auf den Meeresboden gesunken und scheint sich dort auszukurieren. „Gamera, du musst wieder gesund werden!“, ruft Eiichi in der Ferne ... und dürfte damit die Genesung erheblich beschleunigen.
Die restliche Menschheit macht sich derweil eher über Gaos Gedanken, stellt sich dabei aber nicht besonders intelligent an, denn es muss erst ... Eiichi des Weges kommen (man möchte verzweifeln), um Professoren und Generälen den entscheidenden Hinweis zur Riesenfledermausbekämpfung zu geben: Gaos, so hat er festgestellt, zeigt sich nur des Nachts und scheint demnach ein Sonnenlichtproblem zu haben. Das könnte stimmen, meint Dr. Aoki, und ein anwesender General bestätigt: „Ja, während all unserer Angriffe haben wir das Monster nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen!“ (Himmel, wen oder was habt ihr dann angegriffen??) Nun aber weiß das Militär, was es zu tun hat. Als Gaos tatsächlich in der kommenden Nacht seinen Unterschlupf in den Bergen verlässt, sieht er sich dem Großangriff eines ganzen Panzerbataillons ausgesetzt. Kein Problem für ihn – er wendet die bewährte Rodan-Methode an und beginnt mit den Flügeln zu schlagen. Der entstehende Wind bläst die Panzer hinweg, als wären sie Plastikspielzeug (ähm ... sie sind ... aber ich will stillschweigen), also: Der entstehende Wind bläst die tonnenschweren Panzer hinweg, mit denen die Armee angerückt ist – und alles, was leichter ist, sowieso.
Gaos aber, wer will es ihm verdenken, ist nun gründlich verärgert, und so macht er sich stocksteif wie ein Flugzeug fliegend auf den Weg nach Nagoya und zerstört dort Teile der Stadt, nachdem er vorher von einem Zug per Überschallstrahl das Dach abgedeckt und ihn anschließend manuell komplett zerlegt hat. Nicht nur das: Auch ein Auto, in dem ein paar uns unbekannte Männer sitzen, schneidet er längs in zwei Hälften – so viel Comedy muss sein. Die Bevölkerung wird derweil aufgefordert, sich ins Konichi-Baseballstadion zu begeben, weil man dort das Flutlicht eingeschaltet hat und davon ausgeht, dass Gaos diesen unangenehm hellen Ort meidet. Das stimmt – er fliegt nur in sicherer Höhe darüber hinweg und zerstört dann lieber eine Chemiefabrik (als Stellvertreter der obligatorischen Ölraffinerie – vielleicht ist’s auch eine Ölraffinerie).
Nun aber kommt die in der Tat recht schnell wieder genesene Riesenschildkröte angekreiselt – und liefert sich über dem Stadion eine heftige Luftschlacht mit Gaos. Als sie ihren Gegner unter sich in der Mangel hat, lässt Gaos jedoch ein grünes Gas aus seinem Bauch ausströmen, sodass Gamera erst einmal loslassen muss und ins Wasser des Hafenbeckens trudelt. Gaos gleitet hinterher und stürzt sich auf die schwimmende Schildkröte – ein ganz dummer Fehler, denn die kann sich in seinem Fuß festbeißen und ihn somit am Fortfliegen hindern. Das jedoch will er jetzt dringend tun, weil am Horizont schon die Sonne aus dem Meer zu steigen beginnt. Gaos, dessen Kopf langsam zu glühen beginnt, sieht in seiner Verzweiflung nur noch einen Ausweg: Er schneidet sich mit seinem Überschallstrahl das Stück des Fußes ab, das Gamera im Maul hat (!) – und fliegt eilig in seine Höhle. Dort hampelt er eine Weile im grünen Licht herum (das laut Dr. Aoki übrigens seine „Befindlichkeit“ ausdrücken soll!), und siehe da: Das fehlende Stück Fuß wächst wieder nach!
Tags darauf sehen zwei Arbeiter das abgeschnittene und von Gamera ausgespuckte Stück im Hafenbecken herumschwimmen, woraufhin sie sich sofort auf den Weg zur Polizei machen, um dort ihren Fund zu melden. Als sie mit einem Polizisten zurückkehren, ist das Fußstück jedoch nur noch halb so groß wie zum Zeitpunkt seiner Entdeckung. Der Beamte will nicht glauben, dass es vorher größer war und verbittet sich Scherze jedweder Art: „Wir sind es nicht gewohnt, dass man uns auf den Arm nimmt!“ Daraufhin erwidert einer der Arbeiter (Dialogzeile des Tages!): „Wenn Sie es nicht glauben, dann schauen Sie doch genau hin!“ (Ähm ... und was bitte soll er dann sehen??)
Wer später etwas genauer hinschaut, sind die Wissenschaftler, die das Fußteil untersuchen. Sie stellen fest, dass Gaos‘ Fleisch unter der Einwirkung von UV-Strahlen tatsächlich schrumpft – womit Eiichis Theorie endgültig bestätigt ist und die beste Waffe gegen das Monster feststeht: Sonnenlicht. Der Plan muss demnach lauten, dass man Gaos des Nachts aus seiner Deckung lockt und ihn dann festhält (Gamera hat’s doch schon vorgemacht ...). Aber wie? Nun, Dr. Aoki hat einen genialen Einfall (auf den ihn natürlich Eiichi mit irgendeiner Bemerkung gebracht hat). Man müsste Gaos „das Gleichgewicht nehmen“, das heißt, ihn auf eine rotierende Scheibe locken, damit ihm schwindlig wird und er nicht zu seiner Höhle zurückfindet (!!!).
Aber woher die rotierende Scheibe nehmen? Nächster Auftritt Eiichi: Er zeigt auf das gerade in der Nähe herumstehende „Hi-Land“-Hotel, das oben über ein drehbare Panorama-Gaststätte verfügt. Na also. Es müssen zwar noch ein paar bauliche Veränderungen vorgenommen werden, aber dafür hat man ja Shiro Tsutsumi, der sofort mit seinen Leuten anrückt (mit ihrer Schnellstraße kommen sie ohnehin gerade nicht weiter). Das „Unternehmen Rotor“ (!!!) kann starten. Die Baumaßnahmen werden zügig erledigt und die Wissenschaftler brauen eine Flüssigkeit zusammen, die wie Blut riecht und schmeckt. Eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang ist man so weit: Hubschrauber beginnen vor Gaos’ Höhle die Ködersubstanz zu versprühen und können ihn damit auf die Plattform des Hi-Land-Hotels locken, wo man ein paar Hektoliter des Blutimitats bereitgestellt hat. Dann wird der Motor angeworfen – ein kleines E-Werk, das sich praktischerweise unmittelbar neben dem Hotel befindet, liefert genügend Energie, um die Plattform sukzessive in eine sehr schnelle Bewegung versetzen zu können. Die Sache läuft – wie erhofft denkt der strunzdumme Gaos gar nicht daran, einfach wegzufliegen, sondern lässt sich richtig durchdrehen ... (eine Sequenz für die Götter!!). Schon geht die Sonne auf und Gaos beginnt zu glühen ... aber letztlich ist er doch zu schwer für den Unterbau der Plattform, und so stürzt das Konstrukt auf dem Hi-Land-Hotel ein. Gaos torkelt etwas herum, zerkloppt vor Wut die Reste des Hotels und das E-Werk und zieht sich dann schleunigst in die Obhut seiner Höhle zurück. „Die Wissenschaft hat kapitulieren müssen“, resümiert der Off-Sprecher.
Aber gut – wenn die Wissenschaft kapitulieren muss, gibt es ja immer noch ... Eiichi. Der meint, dass Gameras Hilfe in dieser Sache nicht schlecht wäre und hat auch gleich einem tollen Plan auf Lager, um die Schildkröte herbeizulocken: „Wir müssen bloß einen Waldbrand legen“, meint er (!!), „wenn der Wald erst mal brennt, wird Gamera kommen.“ Shiro Tsutsumi gibt zu bedenken, dass der Wald in der Umgebung 200 Millionen Yen wert ist, aber was nutzt der schönste Wald, wenn alle Menschen, die sich an ihm erfreuen könnten, von Gaos aufgefressen oder zerteilt werden?
Also schreitet das Militär zur Tat: „Wir zünden den Wald an!“, verkündet der General schneidig, und das sind keine leeren Worte: Schon kommen ein paar Düsenjets angerauscht und schießen die Gegend rings um Gaos’ Höhle in Flammen. Gaos tritt wütend ins Freie (es ist Nacht!) und beginnt, das Feuer mit seinem grünen Bauch-Gas zu löschen. Droht nach dem gescheiterten „Unternehmen Rotor“ das nächste Fiasko? Nein. Noch nicht, denn nun kreiselt, vom Waldbrand angelockt, Gamera herbei und verwickelt Gaos ins nächste, nunmehr finale Duell ...
Die beiden beschießen sich erst einmal mit gelben Überschallstrahlen und Flammen, bis Gaos die Schildkröte schnappen, mit ihr durch die Luft fliegen und sie sehr unsanft zu Boden werfen kann. Diese Übung wiederholt er noch einmal ... und noch einmal. Die Schildkröte bleibt jedoch vorerst weitgehend intakt, und so gehen die beiden Monster zum Nahkampf über – Gamera, anfänglich sowohl am Schwanz als auch am Kopf verletzt (mit großen Verlusten an grünem Blut), kann sich nach einer Weile im Genick ihres Gegners festbeißen, woraufhin auch Gaos Blut verliert – seins ist jedoch violett, und es spritzt regelrecht. Das ist die Vorentscheidung. Gaos kann, zumal nun auch noch die Sonne aufgeht, keine ausreichende Gegenwehr mehr leisten. Gamera schnappt ihn, fliegt mit ihm zum gerade wieder (oder immer noch) ausbrechenden Fujiyama, schleift ihn den Berg hinauf (für das letzte Stück hat die Kraft zum Fliegen scheinbar nicht mehr gereicht) und stürzt sich gemeinsam mit ihm in den Krater.
Anschließend erfahren wir, das Skript hat’s nicht vergessen, dass dem Bau der Schnellstraße nunmehr nichts mehr im Wege steht – Bauunternehmen und Anwohner haben sich in der Entschädigungsfrage geeinigt. Es herrscht gute Laune bei allen Beteiligten. Und auch Gamera geht’s anscheinend prima: Die kommt nach einem sehr kurzen Vulkanaufenthalt wieder aus dem Krater gekreiselt und entschwindet in der Ferne. „Vielen Dank! Mach’s gut, Gamera!“, ruft ihr der strahlende Eiichi hinterher. Während der Ending Credits, zu denen seltsamerweise auch Ausschnitte aus dem Vorgängerstreifen Gamera gegen Barugon gezeigt werden, läuft ein ziemlich blödes Kinderlied.
Damit sind wir schon beim Thema – sprich bei den lieben Kindern, die in der Gamera-Reihe ein fundamentales Element darstellen. Die einzige Ausnahme sollte in der Tat Gamera gegen Barugon bleiben, was diesen Film umso wertvoller erscheinen lässt. Hier aber kehrte nun Noriaki Yuasa auf den Regiestuhl zurück, und dem hat sich auch Gamera-Stammautor Niisan Takahashi angepasst und ersann den ungefähr neunjährigen Co-Protagonisten Eiichi, der einem, so man nicht selbst im Kindesalter ist, recht schnell gewaltig auf den Senkel geht. Allerdings ist Gamera gegen Gaos mit Blick darauf noch immer ein „normaler“ Kaijū Eiga, das heißt, er ist nicht von vornherein als Kinderfilm konzipiert worden (wie spätere Gamera-Filme). Im Zentrum steht eine sehr wohl erwachsene Handlung, in deren Verlauf es nicht nur zu erstaunlich blutigen (!) Monsterkämpfen kommt, sondern auch Menschen explizit ihr Leben verlieren – abgesehen von Okabe und den Forschern im Großraumhubschrauber erwischt es beispielsweise auch eine ganze Gruppe von Flüchtenden, die Gaos in Nagoya von der Straße fängt. Im Übrigen sind natürlich auch die Militäreinsätze und die Handlungslinie rund um den Schnellstraßenbau rein erwachsene Themen.
Mittendrin stolpert aber eben Eiichi herum und darf zu einer wichtigen Figur heranwachsen, die den hilflosen Wissenschaftlern und Militärs gleich mehrfach auf die Sprünge hilft (selbst der Name des neuen Monsters ist sein Werk – er nennt es „Gaos“ und alle plappern’s nach). Hilfe! Zudem nervt gewaltig, dass Eiichi die Schildkröte in den Monsterkämpfen immer wieder lautstark anfeuert („Gamera! Gib’s ihm!“). Und doch: Obgleich Eiichi Kanamura ein veritables Ärgernis ist, fand zumindest ich ihn noch immer etwas erträglicher als sein Pendant Toshio im ersten Gamera-Film (womit auch gesagt ist, dass der kleine Young im südkoreanischen Yongary aus meiner Sicht weiterhin als ungekrönter König der Kaijū-Eiga-Senkelgänger gelten darf).
Sehr auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass Toshio und Eiichi von ihren Schöpfern (da sollte man Niisan Takahashi und Noriaki Yuasa gemeinsam in die Verantwortung nehmen) fast deckungsgleich gestaltet wurden. Beide sind, nun ja, ziemlich dick (Eiichi ist’s auf jeden Fall) und leben in sonderbaren, jeweils mutterlosen Familienverhältnissen: Toshio bei seinem allein erziehenden Vater und Eiichi bei seinem Großvater. Es gibt zwar jeweils eine junge Frau im Haus, aber das ist in beiden Fällen die Schwester der Jungen – bei Toshio war es Nobuyo und hier ist es Sumiko. Letzteres bleibt für längere Zeit diffus, aber einmal wird sie von Eiichi „Sumiko!“ (und eben nicht „Mutter“ oder „Mama!“) gerufen, und gegen Ende nennt sie Eiichis Großvater auch „Großvater“. Das klärt die Angelegenheit – falls die deutsche Synchro korrekt ist. Warum Niisan Takahashi und Noriaki Yuasa ihren dicken Jungen keine Mütter gewähren wollten, dürfte indes ungeklärt bleiben.
Eiichi, um wieder konkret auf Gamera gegen Gaos zurückzukommen, gewinnt freilich auch dadurch an Bedeutung, dass hier kein herausragender erwachsener Protagonist auszumachen ist. Am ehesten sollte das Shiro Tsutsumi sein, aber er wird im Prinzip nur in seiner Funktion als Bauleiter beziehungsweise Vorarbeiter aktiv, weshalb er zuvorderst der Schnellstraßen-Plotlinie zuzuordnen ist und beim Kampf gegen Gaos nur unterstützend eingreift, also keine Ideen liefert. Die machen sich freilich ohnehin rar ... viel mehr als sinnlose Militäreinsätze bringen die Menschen nicht zustande. Eine ganz große Idee verdankt Gamera gegen Gaos jedoch Dr. Aoki, der erst in der zweiten Filmhälfte wahrzunehmen ist, aber eben das unglaublich bescheuerte „Unternehmen Rotor“ (!) zu verantworten hat. Mit dem wird Kaijū-Eiga-Geschichte geschrieben: Es gab in diesem Subgenre schon vorher ausnehmend bekloppte Einfälle und sollte sie auch weiterhin zur Genüge geben, aber die hiesige Karussellnummer gehört definitiv ganz oben auf den Olymp des Schwachsinns. Wenn Gaos auf der Hotelplattform rotiert, dann ist das wirklich zum Brüllen – und umso mehr, als dass es tatsächlich ernst gemeint zu sein scheint. Wenn Gamera gegen Gaos nämlich lustig sein will, dann spürt man das sehr deutlich, weil es dabei schlichtweg albern zugeht. Und das geschieht sogar relativ häufig, weil eigens für den Humor die beiden trotteligen Bauhelfer Hachiko und Kuma erfunden wurden, die regelmäßig herumkaspern und so manchen peinlichen Gag abliefern – unterstützt von einer flapsigen deutschen Synchronisation („Ich glaub, mein Schwein pfeift!“ und Artverwandtes).
Unklar bleibt lediglich, wie eine Szene im finalen Monsterkampf gemeint ist, in der Gamera dem Dreieckskopfmonster einen großen Stein respektive Felsbrocken ins Maul wirft und dieses somit verstopft – so oder so ist freilich auch das ein echter Lacher. Und es gehört zu den wenigen Höhepunkten der insgesamt drei Monsterkämpfe, die Gamera gegen Gaos an Bord hat, weil diese Duelle unter dem Strich doch ziemlich lahm ausgefallen sind. Ihr Hauptproblem ist dabei gewissermaßen schon angeboren – es heißt Gamera. Die Schildkröte ist einfach zu behäbig und kaum für wirklich ausgefallene „Choreografien“ zu gebrauchen. Bezeichnend für ihre extreme Trägheit (und darunter fällt eben auch eine, sorry, gedankliche Trägheit) ist die bereits angesprochene Szene, in der sie sich elf Mal hintereinander von Gaos in den Arm strahlen lässt, bevor sie diesen endlich einmal zurückzieht. Der Einsatz ihres Feuerstrahls ist gleichfalls ein statisches Unterfangen und in der Regel fruchtlos, und am Ende bleibt dann nur das Festbeißen im Gegner, was auf Kosten der Beweglichkeit beider Kontrahenten geschieht. Von Gamera bekommt man also sehr viel mehr Posing als angewandte Martial Arts zu sehen ... und dies obendrein vorwiegend in der freien Natur, denn bei der Bereitstellung urbaner Schauplätze zeigten sich die Verantwortlichen der Daiei sehr zurückhaltend – selbst Nagoya büßt bei Gaos‘ Besuch nur ein paar Dächer und zwei, drei Häuser ein.
Interessant (na ja, zumindest halbwegs interessant) ist übrigens das noch immer etwas diffuse, im Vergleich zum Vorgängerfilm aber schon deutlich verbesserte Verhältnis der Schildkröte zu den Menschen – oder sagen wir zu den erwachsenen Vertretern der Menschheit (dass sie Kinder mag, muss inzwischen als definiert gelten). Die scheinen sich wegen ihr keine Sorgen mehr zu machen und Gaos als ihr einziges Riesenmonsterproblem zu betrachten. Als Verbündete sehen sie Gamera aber nicht automatisch, sondern müssen noch von Eiichi darauf hingewiesen werden, dass die Schildkröte in der Not eine echte Hilfe sein sollte. Und ja, letztlich ist sie nicht nur eine Hilfe, sondern wird sogar zur alleinigen Retterin in der Not, nachdem die Menschen mit dem „Unternehmen Rotor“ ihr intellektuelles Pulver verschossen haben ... Es könnte zwar auch hierbei so sein, dass Gamera weniger der Menschheit helfen als vielmehr einen lästigen Widersacher ausschalten wollte, aber man darf doch annehmen, dass einer dauerhaften Freundschaft zwischen Menschen und Riesenschildkröte nun nichts mehr im Wege steht.
Optisch macht zumindest die vorliegende deutsche DVD-Edition des Streifens von Cult Movie Entertainment einen guten und den Umständen entsprechend sogar sehr guten Eindruck. Ich war wirklich überrascht, wie klar und sauber die Breitwandbilder dieser (übrigens auch ungekürzten!) Fassung sind. Ein Genuss, obgleich die Farben nicht mehr frisch wie gerade erst aufgenommen wirken und die Bildqualität bei dunkleren Szenen deutlich absackt. Dummerweise besteht der Streifen vor allem in seiner zweiten Hälfte vorwiegend aus dunklen Szenen, weil ja Gaos nun mal überhaupt kein Licht mag und man sich vor dem Sonnenaufgang mit ihm herumärgern muss. Mit fortschreitender Zeit wird die Beleuchtung aber ohnehin immer matschiger – in vielen Passagen kann man nicht einmal mehr mit Sicherheit sagen, ob es gerade Tag oder Nacht ist (in der Schlussphase grundsätzlich, aber vorher beispielsweise auch schon während der Riesenradsequenz). Dennoch: In besserer Qualität wird man diesen Film wohl kaum noch zu sehen bekommen. Die in der bisherigen Fassung fehlenden Szenen wurden übrigens freundlicherweise nachvertont – dass sich die Stimmen der alten und der neuen Sprecher nicht annähernd ähneln, soll geschenkt sein.
Tricktechnisch bleibt derweil alles wie gehabt, das heißt, dass die Daiei Film Co. Ltd. in dieser Hinsicht auch mit ihrem dritten Kaijū Eiga nicht das Niveau der Tōhō-Konkurrenz erreicht. Das ist mit Blick auf ebendieses Niveau alles andere als rühmlich, aber den Verantwortlichen und erst recht den Kindern unter den Zuschauern wird das keine schlaflosen Nächte bereitet haben. Immerhin ist die Modellbau-Berglandschaft, über die der Hubschrauber mit den unglücklichen Forschern eingangs hinwegfliegt, erstaunlich weitläufig und glaubwürdig geraten, und auch der „Fuji“ lässt sich halbwegs sehen (verglichen beispielsweise mit seinem Kollegen auf der „Obelisk“-Insel in Nikkatsus Gappa).
Darüber hinaus haben die Daiei-Bastler allerdings nicht mehr viel zu bieten – Gebäude bleiben Mangelware und die vorhandenen sind bei Weitem nicht so filigran wie jene in den Godzilla-Streifen oder gleich gänzlich armselig wie das mickrige Riesenrad, mit dessen Hilfe man Eiichi von Gameras Rücken holt. Peinlich sind ferner die gelb eingemalten „Überschallstrahlen“ von Gaos, und ein paar missratene Rückprojektionen beziehungsweise grausig einkopierte Bildebenen dürfen auch bestaunt werden. Ganz übel ist dabei die Hand oder Pfote der Schildkröte, als sie Eiichi auf ihren Panzer setzt, zumal dabei kein Mensch auf die Größenverhältnisse geachtet hat – einmal ist Eiichi etwa halb so groß wie die Hand, und in der nächsten Einstellung ist er auf ein knappes Fünftel der Handbreite geschrumpft.
Apropos geschrumpft: Wer hier noch, allerdings vom Skript gewollt schrumpft, ist Gaos – das neue Daiei-Monster, dem man die Eigenschaften eines Vampirs zugeordnet hat: Abgesehen vom fledermausartigen Äußeren mag er Blut und verträgt kein Sonnenlicht. Auf den ersten Blick ist Gaos (beziehungsweise „Gyaos“, wie er im Original heißt – in Deutschland gab es seinerzeit wohl eine Y-Versorgungslücke) ohne Zweifel ein lächerliches Monster, das unter anderem mit seinem Maul erheitert, weil nur der Unterkiefer bewegt werden kann – was vor allem dann beschämend aussieht, wenn er auf irgendetwas oder irgendwem (wie zum Beispiel Okabe ...) „herumkaut“. Erschwerend kommt hinzu, dass seine Zähne primitiv angeordnet und viel zu weiß sind (das gilt freilich nach wie vor auch für Gamera selbst). Ebenso jämmerlich ist sein Flugverhalten – obwohl das Modell sehr wohl die Flügel bewegen kann (sogar kräftig genug, um Panzer „wegzuwedeln“ ...), fliegt Gaos in der Regel stocksteif durch die Gegend. Mit dem Fliegen hatte seinerzeit allerdings nicht nur die Daiei ihre Sorgen: Im gleichen Jahr flogen die Riesengottesanbeterinnen (respektive Kamakiras aka Kamacuras aka Gimantis) in der Tōhō-Produktion Frankensteins Monster jagen Godzillas Sohn ebenfalls lächerlich steif durch die Studiokulissen, und bei Nikkatsus Riesen-Vogel-Eidechsen in Gappa sah es kaum besser aus. 1967 war kein gutes Jahr für die Flugkünste von japanischen Gummimonstern. Stocksteif sind übrigens auch Gaos‘ Pupillen – seine dadurch extrem limitierten und wie aufgeklebt wirkenden Augen fallen alle naselang auf und erinnern stark an die des südkoreanischen Kaijū Yongary, ebenfalls Baujahr 1967 ... Ungeachtet all dessen habe ich persönlich Gaos aber auch als faszinierendes Monster wahrnehmen können, denn hinter seiner lachhaften Fassade steckt durchaus etwas bedrohlich Surreales (der Dreieckskopf), Gruseliges und zutiefst Böses – man muss nur bereit sein, es zu erkennen ...
Tatsächlich scheine ich mit dieser Ansicht nicht der Einzige zu sein, denn die Daiei hat immer wieder gern auf Gaos respektive Gyaos zurückgegriffen: Wenn ich nicht irre, schaut er oder besser ein naher Verwandter von ihm (der hiesige sollte ja in der Lava des Fujis dahingeschieden sein) auch mindestens in den beiden nächsten Gamera-Streifen als Gast vorbei, und im betrügerischen 1980er-Altmaterial-Zusammenschnitt Gameras Kampf gegen Frankensteins Monster gehört er ohnehin zum Stock-Footage-Inventar. Doch nicht nur das: Auch Shûsuke Kaneko griff 1995 zum Auftakt seiner spektakulären Gamera-Wiederbelebungs-Trilogie in Gamera – Guardian of the Universe auf ihn zurück, und selbst jenseits des Pazifiks hatte er begeisterte Anhänger und stand 2014 sogar Pate für die (übrigens echt imponierenden) „Mutos“ in Gareth Edwards’ Godzilla, dem „Gründungsfilm“ einer inzwischen sehr erfolgreichen US-Kaijū-Eiga-Reihe, die ihr eigenes „Monsterverse“ etabliert hat. Also: Nichts gegen Gaos, auch wenn es noch so bekloppt aussieht, wenn er mit seinen gelben „Überschallstrahlen“ um sich schießt.
Gamera indes ist die Alte geblieben – sie kreiselt mit bläulichen Antriebsflammen durch die Lüfte, bekämpft Gegner am liebsten mit einem Feuerstrahl (weil man sich dabei nicht wirklich bewegen muss), nimmt Feuer und Flammen aber noch lieber als Nahrung zu sich, mag dicke Grundschüler männlichen Geschlechts und schämt sich nach wie vor nicht, auf ihren sinnlos langen (weil menschlichen) Hinterbeinen herumzulaufen. Aber Herrgott – soll sie’s tun. Man gewöhnt sich an alles.
Die Darsteller machen derweil ihr Ding, so gut es sich eben im Kaijū-Eiga-Gewerbe machen lässt. Die Hauptrolle kann dabei wie schon angedeutet Kôjirô Hongô zugeordnet werden, der als Bauleiter Shiro Tsutsumi zu sehen ist. Etwas Heldenhaftes im Sinne des Genres vollbringt dieser Shiro nicht, aber er taucht zumindest etwas öfter auf als seine Kollegen. Sein Darsteller vollbringt freilich auch keine Heldentaten – Kôjirô Hongô, der bereits in Gamera gegen Barugon wenig memorabel die Hauptrolle des „Schatzsuchers“ Keisuke Hirata gespielt hat, wirkt auch hier weitgehend blass. Gleichwohl ist er nicht unsympathisch und sollte ein Jahr darauf in Gamera gegen Viras und sehr viel später sogar in Shûsuke Kanekos Gamera – Guardian of the Universe erneut neben der Daiei-Schildkröte zu sehen sein. Die grob geschätzt zweitwichtigste erwachsene Figur des Wissenschaftlers Dr. Aoki wird von Yoshirô Kitahara (Gamera, Gamera gegen Barugon und später Gamera gegen Viras) verkörpert, der im Prinzip nur irgendwelche absurden Forschungsergebnisse verkünden muss, gegen Ende aber noch eine herausragende darstellerische Leistung vollbringt: Dass er mit bierernster Miene das schwachsinnige „Unternehmen Rotor“ zur Sprache bringt und erklärt, muss ihm erst einmal jemand nachmachen. Hut ab übrigens selbst vor den anderen in dieser Szene Anwesenden – es hat niemand loslachen müssen (allerdings wissen wir nicht, wie viele Outtakes es gab ...). Unauffällig agieren weiterhin Kichijirô Ueda als Großvater und die sehr angenehme Reiko Kasahara als Schwester Eiichis, während Yukitarô Hotaru und Tarô Marui als Trottelduo Hachiko und Kuma für eine Reihe von Kaspereien zuständig sind, dabei aber ihre Würde nicht gänzlich verlieren. Kichijirô Ueda war übrigens ein renommierter Darsteller, der nicht nur in vielen Kurosawa-Filmen von Die sieben Samurai bis Rashomon, sondern beispielsweise auch im Klassiker Barfuß durch die Hölle mitgewirkt hatte – wer weiß, wie der sich hier vorgekommen ist. Reiko Kasahara sollte der Riesenschildkröte später in Gamera gegen Guiron und Gamera gegen Zigra noch zweimal Gesellschaft leisten, war aber auch in anspruchsvollen Werken wie Ôkami: Schwert der Rache und sogar dem einen oder anderen Pinku Eiga, also Softsexfilmchen dabei. Gaos’ erste Mahlzeit, der Fotograf Okabe, wird ferner recht einfältig von Shin Minatsu verkörpert, der ebenfalls bereits in den Vorgängerfilmen Gamera und Gamera gegen Barugon mit von der Partie war und in Gamera gegen Zigra noch ein weiteres Mal im Kaijū Eiga tätig werden sollte. Noch enger war indes Shô Natsuki mit der Riesenschildkröte verbunden – er trat beginnend mit Gamera gegen Barugon in jedem Gamera-Film der Shōwa-Ära auf. Hier mimt er den General der erfolglosen japanischen Streitkräfte. Ja, und dann ist da eben noch der Kinderdarsteller Naoyuki Abe, der den dicken Eiichi spielen darf. Die Eigenheiten und Mängel seiner Rolle darf man ihm natürlich nicht ankreiden, aber ganz objektiv betrachtet spielt er auch (selbst für einen Acht- oder Neunjährigen) schlecht und wirkt in manchen Szenen, als habe man ihm noch während des Drehs zurufen müssen, was er tun soll. Angesichts dessen nimmt es nicht wunder, dass Naoyuki Abe, der vorher schon zwei kleine Filmeinsätze hatte, nach seinem hiesigen Auftritt nie wieder vor einer Kamera stand. Nicht vergessen werden soll schließlich Teruo Aragaki, der hier zum dritten Mal im Gamera-Gummikostüm steckt. Der Score stammt zu guter Letzt von Tadashi Yamauchi, dem schon die Musik zum Ur-Gamera zu verdanken war. Im vorliegenden Fall liefert er sehr professionell klingende Kompositionen ab, die man sich gut und gern auch in alten Horrorklassikern vorstellen kann – mehr als anerkennendes Wohlwollen haben sie jedoch zumindest bei mir nicht ausgelöst.
Gamera gegen Gaos als Ganzes hat derweil das Zeug, sogar Begeisterung auszulösen, wobei die Rezeption des Streifens vornehmlich von zwei Faktoren abhängt – erstens dem Verhältnis des Betrachters zum Trash und zweitens, noch wichtiger, dem Verhältnis des Betrachters zu ... Eiichi Kanamura. Während zum Trash eigentlich jeder, der sich mehr als zwei Kaijū Eiga anschaut, ein sehr inniges Verhältnis haben sollte, benötigt man mit Blick auf das Kind tatsächlich viel guten Willen, um es nicht als inakzeptablen Störfaktor wahrzunehmen (wobei ich natürlich, erwachsen wie ich nun mal bin, für die erwachsenen Filmfreunde spreche). Ich für meinen Teil verfüge über sehr viel guten Willen – und über so viel Kaijū-Eiga-Erfahrung, dass ich mich nicht mehr von jedem naseweisen Neunjährigen aus der Bahn werfen lasse. Das gilt auch für Eiichi, der mir wie schon gesagt nicht einmal derart auf die Nerven gegangen ist wie Young in Yongary oder eben auch Toshio im Ur-Gamera. Zudem hat Gamera gegen Gaos tonnenweise Erfreuliches in die andere, nicht von einem dicken Jungen besetzte Waagschale zu werfen, nämlich ganz viel zauberhaften Old-School-Charme, sein faszinierendes, gleichermaßen albernes wie entwicklungsfähiges zweites Titelmonster, einen durchaus goutierbaren und nicht überstrapazierten „menschlichen“ Nebenplot und vor allem ... vor allem das „Unternehmen Rotor“! Wer sich von einem derartig haarsträubenden Unfug nicht verzaubern lässt, ist selbst schuld. Nach der Formel „Film minus Eiichi“ ist Gamera gegen Gaos demnach ein wirklich wunderbarer Kaijū Eiga und selbst mit Kind noch besser als der weithin sehr viel höher eingeschätzte Ur-Gamera, weil dieser mit der Formel „Gamera gegen Gaos minus Gaos“ ganz gut beschrieben werden kann – die Kinder kürzen sich dabei weg. Aber genug der Formelhaftigkeit. Knapper und herzlicher gesagt ist Gamera gegen Gaos über weite Strecken allerfeinster alter Wohlfühlriesenmonstertrash. So etwas gibt‘s nie wieder.
(03/25)
Knappe 8 von 10 Punkten aus Liebhabersicht, ansonsten ... mmh, sagen wir 5 von 10.