Brute Force (1947)
Bereits seit mehreren Jahren steht mit „Shawshank Redemption“ (1994, Anniversary-Text) ein Gefängnisfilm an der Spitze der Top-100-Filme der Internet Movie Database, und diese Tatsache allein spricht für die ungebrochene Beliebtheit dieses Genres. Noch zuletzt spaltete Craig Zahlers „Brawl in Cell Block 99“ (2017) das Publikum, doch beide Beispiele stehen in einer bis in die frühen 1930er zurückreichenden Hollywood-Tradition des Knastfilms, in der Jules Dassins „Brute Force“, der am 8. Juli 1947 anlief, einen ersten Klassiker darstellt.
Viele der heute wohlbekannten Tropen bzw. Klischees des Gefängnisfilms finden sich bereits in „Brute Force“: Kameradschaft und Verrat unter den Häftlingen, das Gefängnis als Mikrokosmos mit eigenen Regeln, brutale Aufseher und natürlich die Sehnsucht nach Freiheit, die im Schmieden und Umsetzen von Fluchtplänen mündet. Regisseur Jules Dassin bezieht dabei eine klare kritische, liberale Position (seine hier durchscheinende politische Haltung sollte ihm später während der antikommunistischen Ermittlungen McCarthys zum Verhängnis werden) und stellt sich auf die Seite der Gefangenen, die als Opfer eines ineffektiven Bestrafungssystems portraitiert werden, in dem gnadenlose Hierarchie und Willkür den Menschen verrohen lassen, anstatt ihn zu bessern. Im Zentrum von „Bute Force“ stehen dabei sechs Männer, die eine enge Zelle bewohnen, unter denen der hochgewachsene, muskulöse und charismatische Burt Lancaster als Hauptfigur herausragt (übrigens sein erst zweiter Filmauftritt nach „The Killers“, 1946). Mit stilistischen Mitteln des Film Noir werden in Rückblenden die Geschichten und Verfehlungen einiger Charaktere erzählt (und vor allem die im klassischen Hollywood dringend benötigten weiblichen Charaktere eingeführt), bevor ein geplanter Ausbruch die Spannung anzieht und den Film in einem furiosen, im Wortsinn explosiven Finale münden läßt, in dem es allerdings keine Sieger, sondern nur Verlierer gibt. Die Art und Weise, wie Dassin die Insassen als im Prinzip gute Kerle und insbesondere einen Aufseher (Hume Cronyn) als sadistischen Nazi zeichnet, mag heute plakativ und simplifizierend erscheinen, schmälert aber nicht den Grad von Realismus, der nicht zuletzt durch ungeschönte Gewaltdarstellung der damals gängigen Vorstellung vom Gefängnis als Besserungsanstalt zuwiderläuft. Im Mai 1946 hatte es tatsächlich einen bewaffneten Fluchtversuch in San Francisco gegeben, der als „Battle of Alcatraz“ die unmittelbare Inspiration für „Brute Force“ war, Dassin verleiht seinen Ausbrechern ein menschliches Gesicht und die Motivation, einer unmenschlichen Hölle zu entkommen.
„Brute Force“ wurde auf DVD vor wenigen Monaten bei Pidax wiederaufgelegt (Fassungseintrag), bessere Bildqualität und Extras bieten jedoch die Blu-ray-Ausgaben aus Großbritannien, etwa als Double-Feature mit Dassins „The Naked City“ (1948) (Fassungseintrag). Die OFDb-Kritik von Maichklang betont den unbestrittenen Status als Klassiker des Knastfilms.
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