La caduta degli dei (1969)
Mit "Ossessione" (1943) und "La terra trema: Episodio del mare" (1947) hatte Luchino Visconti den Neorealismus maßgeblich mitgeprägt. Und auch wenn sich noch "Rocco e i suoi fratelli" (1960) als Spätwerk des Neorealismus betrachten lässt, so stand doch ab "Senso" (1954) und "Le notti bianche" (1957) fest, dass Visconti sich doch längst in andere Richtungen vorgetastet hatte. Mit "Il Gattopardo" (1963), dem epischen Monumentalfilm nach dem Historienroman Giuseppe Tomasi di Lampedusas, widmete sich der kommunistische Filmemacher, der einer Adelsfamilie entstammte, zunehmend der Oberschicht und der Aristokratie, wobei zunehmend eine Ästhetik der Dekadenz in sein Werk eindringen sollte.
Der am 2. Oktober 1969 uraufgeführte "La caduta degli dei" widmete sich einer deutschen Industriellenfamilie, die während des Nationalsozialismus auch untereinander um Macht und Einfluss ringt: Einflüsse Thomas Manns und Richard Wagners lassen sich dabei ebenso wahrnehmen wie auch Einflüsse Shakespeares oder Dostojewskijs, dem Visconti die Episode eines vergewaltigten und sich erhängenden Mädchens entnimmt. Im ausgesprochen artifiziellen Film tummeln sich Dekadenz und Narzissmus – besonders aufgrund der Figur Martins (Helmut Berger), die (trotz früherer Vorbilder, die bis in die frühen 40er Jahre zurückreichen) als Prototyp des sexualpathologischen, narzisstischen SS-Mannes erheblich den Autorenfilm und das Exploitationkino der 70er Jahre prägte. Das Opernhafte, Dekadente und bisweilen Barocke des Films wurde gerade (aber nicht nur) von der deutschen Filmkritik ausgesprochen skeptisch registriert – schien darin doch eine schwülstige Melodramatisierung des Nationalsozialismus zu liegen, die dem Thema schlicht nicht angemessen zu sein schien. Gewiss ist Viscontis Film als Historienfilm nicht unproblematisch; aber abgesehen von seinen formalen Qualitäten (zu denen Stars wie Dirk Bogarde, Ingrid Thulin, Helmut Griem und Florinda Bolkan ebenso beitragen wie Komponist Maurice Jarre, Production Designer Vincenzo Del Prato oder Kameramann Pasqualino De Santis) erwies er sich langfristig als einflussreiches Werk, das eine so produktive wie problematische Sicht auf den Nationalsozialismus als Faszinosum und eine wahre Mythologisierung von NS-Figuren nach sich zog. Stieß Visconti hiermit auch eine wahre Sadiconazista-Welle im (vor allem italienischen) Kino an, so widmete er sich mit den folgenden Beiträgen seiner Deutschen Trilogie doch anderen Themenfeldern: dem gleichnamigen Thomas-Mann-Roman in "Morte a Venezia" (1971) und dem Bayern-König Ludwig II. in dem vierstündigen "Ludwig" (1972).
Ausführlicher nimmt sich Bretzelburger in seinem Review des Films an...
Registrieren/Einloggen im User-Center