Jeremiah Johnson (1972) & The Life and Times of Judge Roy Bean (1972)
Die gesellschaftlichen Umbrüche ab 1968 hatten natürlich auch vor dem Western nicht halt gemacht; sie zeigten sich in diesem genuin US-amerikanischen Genre par excellence sogar mit am deutlichsten. Anfang der 70er Jahre hatte das Genre längst eine kleine Krise durchlaufen und sich vor dem Hintergrund New Hollywoods und des Italowesterns gewandelt: Mythen worden zunehmend dekonstruiert, Patriotismus stark zurückgefahren.
Mit dem am 7. Mai 1972 uraufgeführten "Jeremiah Johnson" und dem am 1. Dezember 1972 uraufgeführten "The Life and Times of Judge Roy Bean" verhielt es sich indes noch einmal anders. Die mit Robert Redford und Paul Newman besetzten Western, die sich biografisch um den Trapper und Pelzhändler, den Mountain Man Jeremiah Johnson bzw. um den früheren Outlaw und späteren Saloon-Besitzer und streitbaren selbsternannten Friedensrichter Roy Bean, arbeiten durchaus mehr am Mythos als an seiner Dekonstruktion. Dass einmal ein jüngerer Regisseur wie Sidney Pollack, Jahrgang 1934, den man zum Teil dem New Hollywood zurechnen könnte, und einmal der ehrwürdige Hollywood-Veteran John Huston, Jahrgang 1906, Regie führten, mag eine grundsätzliche Ähnlichkeit der Stoffe kaum übertünchen. Der ursprünglich angedachte Titel "The Saga of Liver-Eating-Johnson" rückt die Filme nochmals stärker zusammen.
Verbindungsglied beider Werke ist Drehbuchautor John Milius, der alleinig hinter "The Life and Times of Judge Roy Bean" stand und maßgeblich an "Jermiah Johnson" mitgeschrieben hatte, der auf Biografien in Buchform fußt. Milius, der schon nach "Dirty Harry" (1971) im Ruf stand, eher konservative bis reaktionäre Standpunkte zu vertreten – was ihm in den 80er Jahren nach "Conan the Barbarian" (1982) und "Red Dawn" (1984) stärker angelastet worden war –, hatte mit seinem frühen Schaffen ein Faible für Figuren, die zu den populären US-Mythen zählten und mit ihrer Tat- und Durchsetzungskraft beeindruckten: sei es der Gangster John Dillinger ("Dillinger" (1973)), der Stuntman Evel Knievel ("Evel Knievel" (1971)) oder eben Roy Bean oder Jeremiah Johnson; heutzutage ist auch der von Milius erdachte Dirty Harry selbst solch eine mythische Figur.
Der einstmals kriminelle Richter, der sich recht charismatisch aber auch mit höchst streitbaren Praktiken durchsetzt (wenngleich er auch weit weniger Todesurteile verhängt haben soll, als ihm gemeinhin zugeschrieben wird), oder der Grenzgänger und Mountain Man, der zwischen den weißen Siedlern und den native americans lebt und sich den Respekt der Letzteren nicht zuletzt dadurch zuzieht, dass er sich ihnen mit aller Vehemenz widersetzt, sind hier jeweils positiv besetzt. Zugleich aber ist Jeremiah Johnson als Außenseiter auch ein tragischer Held, der in keiner der ihn umgebenden Gemeinschaftern seinen Platz findet, damit aber auch außerhalb des verbreiteten Rassismus der weißen Siedler steht. Und Roy Bean, der sich weniger in den Dienst des Gesetzes stellt, sondern sich vielmehr das Gesetz zu Diensten macht, dabei aber auch einer ganzen Region zum Aufschwung verhilft, ist der selbstgefällige Machtmensch, der (auch) Gutes hervorbringt. Solche moralische Ambivalenzen verorten beide Filme klar im Spätwestern-Milieu. Es fällt indes schwer, zu entscheiden, ob diese Ambivalenz hier (wie bei "Dirty Harry") in der ideologischen Kluft zwischen Regisseur und Autor liegt... Die Arbeit am Mythos, für den Mythos, jedenfalls, die Mythifizierung der Figuren Roy Bean oder Jeremiah Johnson entstammt nochmals dem klassischen Western.
Mehr zu den Filmen verraten das Review von Missy Ra und das Review von Bigimot...
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